Pern 06 - Der Weisse Drache
oft, daß ihn Tordril oder ein anderer Pflegling wachrütteln mußte, damit er nicht zu spät zu irgend-welchen Verabredungen kam.
So geschah es, daß ihm das Problem mit Ruths Reife zu den unpassendsten Zeiten in den Sinn kam und er es dann mit aller Gewalt unterdrücken mußte, um seine Sorgen vor dem Freund zu verbergen.
Wie um die Sache zu verschlimmern, stiegen im Fort-Weyr in kurzen Abständen zwei grüne Drachenweibchen zum Paarungsflug auf, verfolgt von den blauen und braunen Männchen, die sich kräftig genug fühlten, sie zu erobern. Beim erstenmal hatte sich Jaxom mitten in einem Formationsflug befunden und nur zufällig die wilde Jagd bemerkt, die sich ein wenig abseits des Übungsgeländes abspielte. Ruth schien das Ereignis überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen.
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Das zweitemal befanden sich Jaxom und Ruth am Boden, als ein grünes Drachenweibchen ein Herdentier zu reißen begann und mit schrillem Kreischen sein Blut trank. Die anderen Jungreiter und ihre Drachen waren noch zu unreif, um Anteil zu nehmen, aber Jaxom fiel auf, daß der Blick des Geschwa-derausbilders lange auf ihm und Ruth lag. Mit einemmal wurde ihm klar, daß K’nebel überlegte, ob er und Ruth sich an der Verfolgungsjagd beteiligen würden.
Ein solcher Sturm von widersprüchlichen Gefühlen – Furcht, Scham, Erwartung, Zögern und blankes Entsetzen – erfaßte Jaxom, daß Ruth erschrocken die Schwingen spreizte und ein Stück vom Boden aufflog.
Was hat dich so erregt? fragte Ruth und betrachtete seinen Reiter mit besorgt kreisenden Augen.
»Es ist alles in Ordnung – wirklich alles in Ordnung«, versicherte Jaxom hastig und strich dem Drachen über den Kopf. Er fragte sich, ob Ruth überhaupt Lust hatte, mit dem grünen Weibchen aufzusteigen, und hoffte insgeheim, daß dem nicht so war.
Mit einem herausfordernden Fauchen schwang sich das grüne Weibchen in die Lüfte. Angestachelt von der Paarungsbereit-schaft, hatte es rasch an Höhe gewonnen, ehe die Schar der blauen und braunen Männchen ihm folgen konnten. Dann aber jagten alle hinter ihr her. Inzwischen drängten sich die Reiter in einem dichten Knäuel um die Besitzerin des grünen Drachen.
Bald erkannte man die Drachen nur noch als winzige Punkte am Himmel. Die Reiter hasteten zu den Unteren Höhlen, wo eine geräumige Kammer für Ereignisse wie dieses bereitstand.
Jaxom hatte noch nie einen Paarungsflug aus der Nähe miterlebt. Etwas schnürte ihm die Luft ab. Sein Herz hämmerte, das Blut pochte in den Schläfen, und er spürte die gleiche Erregung, die ihn erfaßte, wenn er Coranas biegsamen Körper in den Armen hielt. Mit einemmal kam ihm der Gedanke, welcher Drache wohl Mirrims Path erobert hatte, und welcher Reiter …
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Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er zuckte mit einem leisen Aufschrei zusammen. »Also, wenn Ruth noch nicht reif genug ist – du bist es jedenfalls, Jaxom«, sagte K’nebel. Der Lehrmeister der Jungreiter starrte zu den fernen Punkten am Himmel hinauf. »Selbst der Paarungsflug eines grünen Weibchens kann einem durch und durch gehen.« Seine Miene verriet Verständnis. Dann deutete K’nebel mit dem Kinn zu Ruth hin.
»Ihn hat die Sache überhaupt nicht berührt, was? Nun, lassen wir ihm Zeit. Aber du verschwindest jetzt am besten. Das Training war ohnehin fast zu Ende. Ich muß mich um die Kleinen kümmern, wenn die Grüne mit ihrem Partner zurück-kommt.«
Jetzt erst merkte Jaxom, daß die meisten Jungreiter zum Weyr geflogen waren. Mit einem aufmunternden Klaps auf die Schulter ging K’nebel zu seinem Bronzedrachen, schwang sich geschickt auf den Rücken seines Gefährten und stob davon.
Jaxom dachte an den Paarungskampf in der Luft; er stellte sich die Reiter vor, die nun drunten in der Kammer das Ende der Eroberung abwarteten, durch starke Gefühle mit ihren Drachen verbunden. Mirrim kam ihm in den Sinn. Und Corana.
Mit einem Stöhnen schwang er sich auf Ruths Nacken. Er mußte weg von der knisternden Atmosphäre des Fort-Weyr.
Theoretisch hatte er längst gewußt, was sich in einer solchen Stunde unter den Reitern abspielte, aber die Realität war mehr, als er im Moment ertragen konnte.
Er hatte beabsichtigt, an den See zu fliegen und ein kühles Bad zu nehmen, um seine Nerven und seinen Körper zu
beruhigen. Aber Ruth brachte ihn statt dessen zur Hochfläche.
»Ruth! Wir wollten doch zum See.«
Der weiße Drache verblüffte ihn mit seiner Antwort. Hier ist es im Moment besser für dich. Die
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