Pern 07 - Moreta, die Drache
an die Besucherin.
»Sie wird bestimmt lieb sein, denn sie macht sich schreckliche Sorgen um Tamianth.«
Als Moreta das Krankenlager betrat, konnte sie den Grund 296
erkennen. Tamianths Haut wirkte eher grün als golden; die verletzte Schwinge und die Wunde an ihrer Flanke hatten einen grauen Überzug. Obwohl der Flügel an der Schulter abgestützt war, damit sich die Königin entspannen konnte, zuckten ihre Muskeln unaufhörlich. Tamianth öffnete ein Augenlid, und Moreta las die Qual in ihrem Blick.
»Wasser! Wasser, bitte, Wasser!« stöhnte Falga im Fieber.
»Da, das ist alles, was sie sagt!« Diona rang die Hände.
Pressen, der Heiler mit den hellen Augen, rannte an die Seite der Kranken und bot ihr Wasser an, aber sie schob es weg und warf sich wieder unruhig hin und her.
Moreta war mit drei langen Schritten neben der Königin, nahm eine Hautfalte zwischen die Finger und stieß einen Fluc h aus. Die Drachenkönigin war praktisch ausgetrocknet. Ihre Haut fühlte sich wie Pergament an.
»Wasser! Tamianth braucht das Wasser, nicht Falga! Ist denn keiner auf den Gedanken gekommen, der Königin etwas zu trinken zu geben?« Moreta sah sich nach einem Behälter um.
»Nein ...« Diona schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht.
»Kilanath sagte auch ständig etwas von Wasser, aber wir alle dachten, daß Falga ...« Sie deutete mit einer fahrigen Geste auf die fiebernde Frau.
»Dann tu endlich etwas, beim Ei von Faranth!« donnerte Moreta. »Wo sind die Jungreiter? Trommle ein paar von ihnen aus den Betten! Besorgt einen Kessel aus der Küche, so rasch wie möglich! Ein Wunder, daß das arme Geschöpf noch lebt!
Soviel Einfalt und Unfähigkeit auf einmal ist mir noch nie begegnet ...«
Moreta sah Pressens erschrockenen Gesichtsausdruck und nahm sich zusammen. »Ich kann doch nicht auch noch die Pfleger beaufsichtigen!« meinte sie mit einem hilflosen Achselzucken.
»Nein, natürlich nicht!« Pressens Antwort klang beschwichtigend und ängstlich zugleich.
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Da die arme Königin zu schwach war, Kontakt mit anderen Drachen aufzunehmen, hatte ihre Reiterin selbst im Fieber versucht, die Weyrbewohner auf Tamianths Notlage hinzuwei-sen. Moreta schäumte vor Zorn über Dionas Unfähigkeit. Sie riß einen Leuchtkorb an sich und begann Tamianths Schwinge zu untersuchen. Zwei Tage ohne Sekret, und die Membranstü-
cke heilten womöglich nie mehr zusammen! Das Licht fing sich in einer feuchten Pfütze unter Tamianths Flanke. Mit einem unterdrückten Aufschrei kniete Moreta nieder, tauchte einen Finger in die Flüssigkeit und roch daran.
»Pressen! Bringen Sie Ihren Koffer, ich brauche Rotwurz und Öl! Der Drache verblutet ja!«
»Was?«
Pressen hastete an ihre Seite, und Moreta hielt den Leuchtkorb höher. Düster erinnerte sie sich an die Anweisungen, die sie dem mit Drachen völlig unerfahrenen Heiler erteilt hatte: Sorgen Sie dafür, daß die Wunde mit Betäubungssalbe bedeckt ist! Warum hatte sie nicht selbst nach dem Rechten gesehen?
Warum war sie so leichtsinnig gewesen, sich auf unerfahrene Heiler und übermüdete Reiter zu verlassen? Sie hatte sich nach der Operation einfach selbstzufrieden zurückgezogen!
»Die Schuld liegt bei mir, Pressen. Ich hätte mich auch um die Flankenwunde kümmern müssen. Offensichtlich haben die Sporenknäuel die Venen an der Flanke zerfressen. Die Betäubungssalbe deckte die Bruchstellen zu. Deshalb gelangt auch kein Sekret an die Schwinge. Wir müssen die Adern zusam-menflicken. Das geht genauso wie bei einem verletzten Menschen, nur das Blut hat eine andere Farbe.«
»Chirurgie ist nicht mein Fach«, meinte er zögernd. Als er aber Moretas verzweifelte Miene sah, fügte er hinzu: »Ich habe hin und wieder assistiert. Das kann ich auch jetzt tun, wenn Sie wollen.«
»Ich brauche ein paar Klammern, Ö l, Rotwurz, eingefädelte Nadeln ...«
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Pressen goß bereits Ö l und Rotwurz in flache Schalen. »Ich habe alle Instrumente hier, die wir brauchen. Man übergab mir Barlys Sachen, als ich hier ankam.«
Mit einem bangen Gefühl begann Moreta den verwundeten Flügel zu untersuchen. Zwar hatten sich auf den Gelenken hier und da Sekretperlen gebildet, aber weit weniger, als zur Heilung nötig waren. Tamianth benötigte jetzt eine gute Portion Glück, um die Dummheit ihrer Pfleger wieder wettzu-machen. Vielleicht ließ sich der Schaden noch in Grenzen halten, wenn man Kilanath etwas Sekret abnahm und auf die am stärksten gefährdeten Stellen strich.
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