Pern 07 - Moreta, die Drache
tot, eines halbtot und neunzehn mit schwerem Husten - in einem Tag vierundzwanzig von insgesamt einhundertzweiundzwanzig Rennern
befallen! Er hatte sich noch nie in einer solchen Notlage befunden. Darauf war er nicht vorbereitet. Er kannte den Sporenregen, diese unvermeidliche Plage, die seit Mensche n-gedenken auf Pern wütete. Die beiden Ereignisse hatten nichts miteinander zu tun; aber ebenso gleichgültig, wie die Fäden das Land zerstörten, würde diese neue heimtückische Gefahr die Menschenleben auslöschen. >Hohe Todesrate!< hatten die Trommeln gewarnt. Gegen die Sporen gab es Drachen. Womit bekämpfte man die neue Krankheit? Fand er vielleicht Auf-schluß über Katastrophen dieser Art in den alten Aufzeichnungen von Ruatha, die sein Vater so oft zu Rate gezogen hatte?
»Da kommt ja endlich Ihr Heiler, Alessan«, sagte Tolocamp.
Die beiden Burgherren gingen Meister Scand ein Stück
entgegen. Das sonst so freundliche runde Gesicht des Mannes war knallrot vom Laufen, und er hatte die Lippen zu einem dünnen, ärgerlichen Strich zusammengepreßt. Schweiß perlte ihm über die Stirn, und er fächelte sich mit einem nicht gerade 129
sauberen Lappen Luft zu. Alessan hatte schon immer geahnt, daß Scand sein Handwerk gerade gut genug verstand, um die zahlreichen Schwangerschaften auf der Burg zu überwachen und hier und da eine kleine Wunde zu versorgen; aber der neuen Lage schien er nicht gewachsen.
»Baron Alessan, Baron Tolocamp«, keuchte Scand, »ich kam, so schnell ich konnte! Täusche ich mich, oder war das vorhin eine Trommelbotschaft im Code der Heiler? Ist etwas geschehen?«
»Was fehlt Vander?«
Alessans scharfe Frage ließ Scand zusammenzucken. Er
räusperte sich und tupfte sich den Schweiß von den Schläfen.
Offenbar fiel es ihm schwer, seine Ohnmacht einzugestehen.
»Also, ich bin gewissermaßen ratlos, denn der Kranke hat bis jetzt nicht auf den Schwitzwurzelsud angesprochen, den ich ihm in der Nacht einflößte. Eine Dosis, wenn ich das bemerken darf, die einem Drachen Schweißausbrüche verursacht hätte!
Sie zeigte keinerlei Wirkung.« Scand fuhr sich wieder nervös über das Gesicht. »Der Mann klagt über fürchterliches Herzja-gen und Kopfschmerzen, die keinesfalls vom Wein herrühren, da er nicht einen Tropfen Alkohol zu sich nahm; er fühlte sich schon vor den gestrigen Rennen elend.«
»Und die beiden anderen Männer, seine Knechte?«
»Auch sie sind ohne jeden Zweifel krank.« Scands geschraub-te Sprechweise ging Alessan mehr denn je auf die Nerven.
»Sehr, sehr krank, denn sie können sich nicht von ihren Strohlagern erheben und leiden an den nämlichen Herzbeschwerden und Kopfschmerzen wie ihr Herr. Ich bin geneigt, diese beiden Symptome zu bekämpfen, anstatt die Männer schwitzen zu lassen, wie das bei normalem Fieber üblich ist.
Darf ich nun fragen, ob die Nachricht aus der Hei-ler-Halle in irgendeiner Weise mich betraf?« Scand hielt den Kopf schräg.
»Meister Capiam hat eine Quarantäne über das Land ve r-hängt.«
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»Eine Quarantäne? Wegen drei Leuten?«
»Baron Alessan?« Ein hochgewachsener hagerer Mann im
blauen Gewand der Harfner schlenderte näher. Graue Fäden durchzogen sein Haar, und seine Nase schien mehrfach
Bekanntschaft mit Gewalt gemacht zu haben, aber er hatte einen offenen Blick und strahlte Ruhe und Tüchtigkeit aus.
»Ich bin Harfnergeselle Tuero. Wenn Sie wollen, übermittle ich Meister Scand den vollen Inhalt der Botschaft, damit Sie weitermachen können.« Tuero nickte zu der erregten Menschenmenge hin, die sich im Hof versammelt hatte.
In diesem Moment dröhnten Ruathas Trommeln auf und
gaben die Neuigkeit an die Siedlungen und Höfe im Norden und Westen weiter. Der dumpfe Hall der mächtigen Instrume n-te verstärkte noch die Atmosphäre der Besorgnis. Lady Uma, begleitet von Lady Pendra und deren Töchtern, erschien am Haupteingang. Angespannt lauschte sie auf den Rhythmus der Trommeln. Dann warf sie Alessan einen langen, ruhigen Blick zu und nickte kaum merklich. Die Frauen scharten sich um Harfner Tuero und den Heiler, der nun am ganzen Körper zitterte und den schmuddeligen Lappen schlaff in der Hand hielt.
Zum ersten Mal im Leben empfand Alessan echte Dankbarkeit für die bedingungslose Unterstützung durch seine Familie -
ja, sogar für Baron Tolocamps übereifrige Hilfsbereitschaft.
Ein Reiter kam angestürmt und bat um Verstärkung; ein widerspenstiger Hofbesitzer, mit dem Alessan bereits in der Vergangenheit
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