Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
die Burg verlassen«, sagte Tirone.
Er wandte sich ab und ging über den Hof.
»Junge Frau, sind Sie sich über die Folgen dieses Schrittes im klaren? Wenn Sie die Burg ohne Erlaubnis Ihres Vaters verlassen, besonders jetzt, da seine Stimmung mehr als gereizt ist ...«
»Meister Capiam, ich bezweifle, daß er mein Verschwinden überhaupt bemerkt«, unterbrach ich ihn. Vielleicht hatte sogar er Anella gesagt, daß ich Nalka hieße. »Vorsicht, die Stufen sind sehr steil!« warnte ich, als mir einfiel, daß es der Meisterheiler nicht gewöhnt war, Hintertreppen zu benutzen.
Ich entfachte eine Handlampe.
Capiam stolperte einige Male, während wir die gewundene Treppe hinunterstiegen, und ich hörte seinen erleichterten Seufzer, als wir endlich den breiteren Gang zu den Vorratsräumen erreicht hatten. Sim und zwei andere Knechte saßen mit unbewegten Mienen auf der Holzbank neben der Tür.
»Ihr seid pünktlich, wie ich sehe.« Sim hatte wohl nicht damit gerechnet, hier dem Meisterheiler zu begegnen, und ich nickte ihm beruhigend zu. »Vater schätzt Pünktlichkeit.« Mit diesen Worten sperrte ich die Tür auf.
Ich ging voraus und machte Licht. Meister Capiam tat einen erstaunten Ausruf, als er den Raum erkannte, in dem er und meine Mutter oft die Kranken der Burg behandelt hatten. Ich betrat den Vorratsraum.
»Sehen Sie, Meister Capiam! Das sind die Früchte meiner Arbeit, seit ich alt genug war, Blätter und Blüten zu pflücken oder Wurzeln und Knollen auszugraben.
Ich will nicht behaupten, daß ich jedes einzelne Regal bis an den Rand gefüllt habe, aber meine Schwestern würden mir ihren Anteil nicht verweigern, wenn sie noch lebten. Leider sind nicht mehr alle dieser Schätze zu gebrauchen, selbst Kräuter und Wurzeln verlieren mit der Zeit ihre Heilkraft. Nur die Tunnelschlangen werden fett von dem Zeug.« Ich hatte das Rascheln gehört, als ich die Leuchtkörbe ansteckte und die lästigen Schmarotzer die Flucht ergriffen. »Sim, verteil die Joche, die dort drüben in der Ecke liegen!« Ich hob meine Stimme, denn meine vorangegangenen Worte waren nur für den Meisterheiler bestimmt gewesen. Er sollte nicht den Eindruck erhalten, daß er unsere Burg um lebensnotwendige Dinge beraubte. »Ihr schafft zuerst die Ballen ins Freie.« Sie gehorchten, und ich wandte mich Meister Capiam zu. »Darf ich Ihnen den Fellissaft anvertrauen? Ich nehme das da.« Ich packte den zweiten Glasballon an der Trageschlaufe und schlang ihn mir über die Schulter. »Ich habe heute nacht frischen Tussilago gemischt, Meister Capiam. So ist es gut, Sim. Ihr könnt jetzt losgehen. Wir benutzen den Küchenaus-gang. Baron Tolocamp hat sich erst kürzlich darüber beschwert, daß die Dienstboten die Teppiche des Wohntraktes zu sehr abnützen.« Das war eine schamlose Lüge. »Wir richten uns am ehesten nach seinen Befehlen, auch wenn es einen Umweg für uns bedeutet.«
Ich deckte die Leuchtkörbe zu und setzte den Glasballon ab, um die Tür zum Vorratsraum wieder zu versperren. Capiam warf mir einen sonderbaren Blick zu, aber ich kümmerte mich nicht darum. Jetzt kam es nur darauf an, die Burg ungesehen zu verlassen.
»Ich würde gern mehr mitnehmen, aber so ist es sicherer.
Vier Knechte bei der mittäglichen Wachablösung, das fällt dem Posten vermutlich nicht auf.« Jetzt erst bemerkte Capiam mein grobes Arbeitsgewand und die schweren Stiefel. »Keiner wird sich Gedanken darüber machen, wenn einer der Knechte zum Lager weitergeht. Und das Gesinde in der Küche wird nichts dabei finden, daß der Meisterheiler Vorräte mitnimmt.« An solche Dinge hatte ich die Dienstboten seit langem gewöhnt.
»Im Gegenteil, es würde die Leute wundem, wenn Sie mit leeren Händen gingen.«
Ich hatte die Außentür verschlossen und warf einen nachdenklichen Blick auf meinen Schlüsselbund. Ich konnte ihn nicht so einfach an den Wandhaken hängen. »Man weiß nie«, murmelte ich und schob ihn in meine Gürteltasche.
»Meine Stiefmutter hat ihre eigenen Schlüssel. Sie denkt, es seien die einzigen. Mutter dagegen fand immer, daß die Kräuterküche das geeignete Reich für mich sei. Hier entlang, Meister Capiam!«
Er folgte mir, und ich spürte, wie er nach Argumenten suchte, um mich zum Hierbleiben zu bewegen.
»Lady Nerilka, wenn Sie jetzt die Burg verlassen ...«
»Daran besteht kein Zweifel.«
»... wird Baron Tolocamp ...«
Ich blieb mit einem Ruck stehen und sah den Heiler an. Das Küchengesinde mußte nicht unbedingt mitanhören, daß
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