Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
mich behandelte. »Wen schlagen Sie vor? Desdra meinte, ich soll mich an Sie wenden. Sie wüßten hier am besten Bescheid.«
Ich bat ihn, zunächst sämtliche Pflegerinnen der Kinderkrippe zu impfen, dann unsere drei Harfner sowie Felim und seinen Stellvertreter. Außerdem Tante Sira, da sie allein all die herrlichen Brokatmuster kannte, auf die unsere Burg so stolz war. Und Burgverwalter Barndy mitsamt seinem Sohn. Die beiden waren unersetzlich, solange Vater sich weigerte, seine Räume zu verlassen.
Onkel Munchaun sollte ebenfalls eine Injektion erhalten. Er konnte im Notfall die Rolle des Burgverwalters übernehmen, und er war der einzige, der Baron Tolocamp gelegentlich anbrüllte, ohne eine Vergeltungsmaßnahme zu riskieren.
17.3.43
Anella zwang mich, den größten Teil des Vormittags in der Nähstube zu verbringen. Ständig mäkelte sie an unserer Arbeit herum. Ab und zu mußten wir eine Naht auftrennen, die völlig in Ordnung war, während sie tatsächliche Schlampereien übersah. Nach einer Weile begannen meine Nerven zu flattern.
Lilla, Nia und Mara zeigten mehr Geduld als ich, aber immerhin sollten sie ja neue Kittel für ihre Mühe erhalten.
Anella war zudem geschmacklos genug, uns Baron
Tolocamps neueste Anweisungen an den Burgverwalter und Campen zu übermitteln: Ab sofort durfte aus den
Vorratskammern der Burg nichts mehr an die Bedürftigen abgegeben werden. Da Fort die Verantwortung für die Bewohner seines Herrschaftsbereiches trage, sei es in dieser Zeit der Krise verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen und äußerste Sparsamkeit walten zu lassen. Das gelte auch, fuhr Anella mit sichtlichem Vergnügen fort, für die Heiler-und Harfner-Halle. Meister Capiam und Meister Tirone hätten sich bereits zu einem Gespräch angesagt - vermutlich um Lebensmittel und Arzneien zu erbitten.
Als ich das hörte, reichte es mir endgültig. Meine Geduld, meine Höflichkeit und meine Loyalität waren erschöpft. Ich konnte weder die Anwesenheit dieser Frau ertragen noch die Feigheit und den Geiz meines Vaters, der mit seinem Verhalten Schande über unser altehrwürdiges Geschlecht brachte. Mein Entschluß stand fest: Ich würde Burg Fort verlassen.
Unter dem Vorwand, daß ich ein neues Konfekt-Rezept für das Abendessen ausprobieren wolle, verließ ich die Nähstube.
Ich durchquerte die Küchengewölbe und begab mich in den kleinen Apotheken-Raum. Dort destillierte ich Fellis in dem größten Kessel, den ich fand, und kochte noch einmal eine Riesenmenge Tussilago-Sirup. Während die Flüssigkeit auf dem Herd siedete, plünderte ich die vollgestopften Regale. Ich zweigte von sämtlichen Kräutern und Wurzeln großzügige Portionen ab, bündelte und verpackte sie und stapelte sie in einer kühlen Ecke des inneren Lagerraums. Ich war ziemlich sicher, daß Anella hier nicht auftauchen würde. Dann füllte ich den Fellissaft und den Tussilago-Sirup in strohumwickelte Glasballons und schnürte ein kleines Bündel mit meiner persönlichen Habe. Um keinen Verdacht zu erregen, bereitete ich noch etwas von dem klebrigen Konfekt, das Anella und ihre Eltern so sehr schätzten.
An diesem Abend suchte ich Onkel Munchaun auf. Ich überreichte ihm den persönlichen Schmuck meiner Mutter und bat ihn, die Sachen später an meine Schwestern zu verteilen.
»Hm.« Er warf einen nachträglichen Blick auf das Päckchen und wog es in der Hand. »Hast du nichts davon für dich behalten?«
»Nur einige Erinnerungsstücke. Ich glaube nicht, daß ich an meinem neuen Wirkungsort Schmuck brauchen werde.«
»Gib mir die Nachricht, wenn du kannst, Rill. Ich werde dich sehr vermissen.«
»Ich dich auch, Onkel. Gibst du ein wenig auf meine Schwestern acht?«
»Habe ich das nicht immer getan?«
»Mehr als alle anderen.«
Ich konnte nichts mehr sagen, sonst wäre mein Entschluß ins Wanken geraten. Hastig floh ich aus dem zweiten Stock in mein Zimmer.
18.3.43
Ich hatte am nächsten Tag eben wieder einen Kessel mit Kraftbrühe angesetzt, als ich den Meisterharfner und den Meisterheiler zu ihrer Unterredung in die Burg kommen sah.
Ich winkte Sim zu mir und befahl ihm, mit zwei anderen Knechten vor dem Apothekenraum auf mich zu warten, weil ich in Kürze einen Auftrag für sie hätte.
Hastig schlüpfte ich in meine vorbereiteten Reisekleider und stopfte noch ein paar persönliche Dinge in die Gürteltaschen.
Dann warf ich einen Blick in den kleinen Spiegel an der Wand meines Zimmers. Einen Moment lang zögerte
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