Pern 10 - Die Renegaten von Pern
Flüchtlinge aufzuscheuchen. Sie versteckten sich und faßten sich in Geduld, bis die Wachsamkeit der Burgbewohner und der Wächter nachließ.
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Thella konnte warten - man brauchte nur an die Steinschlagfallen zu denken, die sie genau im richtigen Abstand angebracht hatte, um jeden Wagen zu treffen. Aber sie beging auch Fehler, zum Beispiel erst vor kurzem, als sie dieses Feuer anmachte, das er auch prompt gesehen hatte.
»Jayge Lilcamp!«
Meister Conwy kam in die Badehöhle gestürmt, warf Jayge ein Handtuch zu und zerrte ihn aus dem Wasser, als er nicht schnell genug reagierte.
»Du hattest recht, und wir waren sträflich leichtsinnig. Gardilfon kam eben die Burgstraße herauf und brachte die Tiere, die er hier abliefern sollte. Er hatte keine Nachricht wegen eines Lasttiers geschickt, er hatte schon gar nicht Aramina verlangt, und er hat seit heute morgen niemanden auf dieser Straße gesehen.«
Jayge trocknete sich hastig ab und bemühte sich ungeschickt, in die Kleider zu schlüpfen, die ihm der Stallmeister zuwarf, als er das Dröhnen der Burgtrommeln vernahm. Der Rhythmus, aber auch das heiße Bad, dem er eben entstiegen war, ließen sein Herz schneller klopfen. Seine Stiefel waren feucht und schlammverkrustet, aber er zwängte die Füße trotzdem hinein.
»Baron Raid möchte dich sprechen. Er ruft jeden zu Hilfe, und, ja
...« Meister Conwy warf einen Blick gen Himmel, wo gerade die ersten Drachen auftauchten.
»Wir bekommen alle Unterstützung, die wir brauchen. Aramina wird den Drachen sagen, wo sie ist.«
»Falls sie es weiß«, murmelte Jayge. Er hatte sofort begriffen, wo in dieser Überlegung der Fehler steckte.
»Und falls sie sprechen kann.«
Zuerst schenkte Baron Raid Jayges Zweifeln, die ihm zuerst von dem aufgebrachten Meister Conwy und dann von Jayge selbst wiederholt wurden, keine Beachtung, und befahl dem jungen Händler, sich hinzusetzen und den Mund zu halten.
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Der Baron, mittelgroß und etwas untersetzt, mit einem unzufriedenen Zug um den Mund, tiefen, von der Nase bis zu den Lippen reichenden Falten und aufgequollenen Tränensäcken unter den Augen, liebte es, sich in Szene zu setzen, und wirkte fast wie eine Karikatur seiner selbst, als er sich geschäftig an einen Ratgeber nach dem anderen wandte. Jemand reichte Jayge eine Schale mit Brei, und er schlang ihn hastig hinunter, obwohl ihm der Magen vor Sorge wie zugeschnürt war.
Stunden vergingen, ohne daß eine Nachricht von den Suchtrupps, den vielen Feuerechsen der Burg oder den Drachen eingetroffen wäre, und schließlich trat Baron Raid auf Jayge zu, der neben der Feuerstelle döste. Der junge Händler hatte lange gegen den Schlaf angekämpft, aber schließlich waren Wärme und Müdigkeit stärker gewesen als seine Ängste.
»Was genau haben Sie vorhin gemeint, junger Mann?«
Jayge blinzelte sich den Schlaf aus den Augen und versuchte sich zu erinnern, was er als letztes gesagt hatte.
»Ich meinte, wenn Aramina nicht bei Bewußtsein ist, kann sie auch keine Drachen hören. Und wenn sie nicht sehen kann, wo sie ist, wie kann sie dann gerettet werden?«
»Und wie sind Sie zu diesen Schlußfolgerungen gelangt?«
»Thella weiß, daß sie Drachen hören kann.« Jayge zuckte die Achseln. »Und eine kluge Frau wie sie würde doch wohl dafür sorgen, daß Aramina den Drachen nichts zu erzählen hat.«
»Genau«, ließ sich eine kalte Stimme vernehmen.
Lessa drängte sich durch die Männer, die Jayge umringten.
»Ich möchte mich entschuldigen, Jayge Lilcamp. Ich habe Ihre Warnung nicht genügend ernst genommen.«
»Ist es nicht möglich, daß der junge Mann mit ihnen im Bunde ist?« flüsterte Raid der Weyrherrin deutlich hörbar zu.
Sie zog verächtlich die Augenbrauen hoch, und ihre Lippen wurden schmal. »Heth und Monarth haben sich bei Ramoth für ihn 276
verbürgt. Die Barone Larad und Asgenar bestätigen seine Beschreibung.«
»Aber ... aber ...«, stotterte Raid hilflos.
Lessa setzte sich neben Jayge. »Nun, was ist Aramina Ihrer Meinung nach zugestoßen?«
»Keiner der Drachen hat sie gehört?«
»Nein, und Heth ist schon ganz hysterisch.«
Jayge atmete langsam aus, ihm war übel vor Sorge, aber er zwang sich, seine schlimmste Befürchtung auszusprechen.
»Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß Thella sie getötet hat.«
»Nein, das bestreiten die Drachen«, erklärte Lessa entschieden und forderte ihn mit einem Blick zum Weitersprechen auf.
»Was ist mit den Wachen, die bei ihr waren?«
»Die
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