Pern 10 - Die Renegaten von Pern
wurden schmal.
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»Wie sind Sie überhaupt an eine Skizze gekommen?«
»Nun, ich habe Ihnen ja bereits erzählt, daß ich annahm, sie würden die Höhlen von Igen aufsuchen. Und wenn ich allein hinging, bestand immerhin die Möglichkeit, daß ich etwas erfuhr, was man weder einem Burgherrn, noch einem Drachenreiter« - er entschuldigte sich mit einem respektvollen Lächeln - »verraten würde.
Deshalb gab man mir eine von Perschars Skizzen zum Vorzeigen.
Ich habe mit Thella und ihren Freunden noch eine Rechnung zu begleichen«, erklärte er mit einem Haß und einer Entschlossenheit, die er nicht vorzutäuschen brauchte. Plötzlich grollte ganz in der Nähe ein Drache, und er fuhr zusammen.
»Solche Privatfehden neigen dazu, außer Kontrolle zu geraten, Jayge Lilcamp«, sagte Lessa mit einem eigenartigen Lächeln.
In diesem Moment fühlte Jayge sich abermals an Thella erinnert, doch er schüttelte den Gedanken ab und stand auf, denn die Weyrherrin hatte sich erhoben.
»Und sie verhindern oft, daß weit verdienstvollere Eigenschaften zum Tragen kommen«, fuhr Lessa fort.
»Überlassen Sie die Sache dem Weyr. Wir werden Aramina beschützen.« Ein Drache trompetete, und der Ton hallte mehrfach wider. Lessa lächelte zärtlich. »Sie haben Ramoths Wort darauf.«
»Kann sie alles hören?«
Lessa lachte, und es klang erstaunlich jung. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher.«
Jayge wandte sich ab. Sie hatte zu scharfe Augen und einen zu wachen Verstand. Daß Drachen fähig sein sollten, die Gedanken aller Leute zu hören war ihm neu - er hatte immer gedacht, sie könnten sich nur mit ihren Reitern verständigen.
»Machen Sie einen Abstecher in die Küche, ehe Sie aufbrechen, Jayge Lilcamp. Sie haben einen weiten Weg vor sich und brauchen etwas Kräftiges im Magen.«
Er bedankte sich und folgte dem Jungen aus dem Weyr, doch 269
beim Anblick der goldenen Drachenkönigin auf dem Sims blieb er unvermittelt stehen. Sie war noch nicht dagewesen, als er hereinge-kommen war.
Der Schwanz war um die Vorderbeine gewickelt, und die Schwingen lagen flach am Rückenkamm an, aber sie blickte ihm fest in die Augen.
»Sie mag es, wenn man mit ihr spricht. >Guten Morgen, Ramoth< genügt«, riet der Junge, als er bemerkte, daß Jayge sich nicht zu rühren wagte.
»Guten Morgen, Ramoth«, wiederholte Jayge heiser und schob sich vorsichtig auf die erste Stufe zu. Über ihm ragte das Drachenweibchen auf, und er war sich noch nie in seinem Leben so unbedeutend vorgekommen. Obwohl er keineswegs klein war, reichte er ihr nur bis an die kurze Vorderpfote. Er schluckte krampfhaft und machte einen weiteren Schritt.
»Könntest du Heth bitte von mir grüßen? Ich habe mich gefreut, ihn kennenzulernen.«
Jayge wußte, daß er faselte, aber irgendwie glaubte er doch, die richtigen Worte gefunden zu haben.
»Wirklich«, sagte der Junge und zupfte ihn am Ärmel. »Sie tut gar nichts.«
»Sie ist größer, als ich dachte«, flüsterte Jayge.
»Nun, sie ist Bendens Königin. Und«, fügte der Junge stolz hinzu,
»der größte Drache auf ganz Pern.«
Plötzlich hob Ramoth den Kopf und grollte drei Drachen an, die im Bogen heranschwebten, um auf den oberen Simsen zu landen.
Zwei davon antworteten ihr.
Jayge nützte die Ablenkung, um, so schnell er konnte, an dem Jungen vorbei die Weyrtreppe hinunterzusteigen. Als er den Kesselgrund erreicht hatte, atmete er tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Kommen Sie, Sie sollen etwas essen. Die Weyrkost ist gut«, 270
ermunterte ihn der Junge, der ihn wieder eingeholt hatte.
»Ich glaube, ich möchte lieber ...«
»Sie können den Weyr nicht ohne eine anständige Mahlzeit verlassen«, beharrte der Junge. »Sehen Sie, Ramoth rollt sich zusammen, um in der Sonne ein Nickerchen zu machen.«
Lessas Beteuerungen taten nur so lange ihre Wirkung, bis Jayge sein erstes Nachtlager aufschlug. Es hatte ihm Auftrieb gegeben, als er in einiger Entfernung über der Straße Drachenreiter auf einem Patrouillenflug sah, doch dann hatten ihm die dichten Äste den Blick versperrt. Fast bis zum Morgengrauen wälzte er sich schlaflos hin und her, ging jedes Wort des Gesprächs noch einmal durch, kämpfte mit seinen Zweifeln, ob es richtig gewesen war, die Weyrherrin zu belügen, und zerbrach sich den Kopf, was sie wohl mit ihrer Warnung vor Privatfehden gemeint haben könnte.
Wenn er nur eine Möglichkeit sähe, Readis von Thella loszueisen.
Wer war wohl
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