Pern 10 - Die Renegaten von Pern
sind tot.«
Tiefes Bedauern klang aus Lessas Stimme.
»Man hatte die Leichen am Wegrand versteckt, deshalb hat es so lange gedauert, bis wir sie fanden.«
»Dann hat man sie bewußtlos geschlagen.«
Jayge schloß die Augen, um das Bild von Araminas schlaffem, über Dushiks mächtigem Rücken hängendem Körper mit dem blutbefleckten blauen Schal auf dem Kopf nicht mehr sehen zu müssen.
»Dann hat es wohl auch keinen Sinn zu warten, bis sie das Be-wußtsein wiedererlangt?« fragte Lessa etwas zynisch.
Jayge nickte bedrückt.
»Thella hat sicher eine dunkle Höhle gefunden oder eine tiefe Grube. Wenn Aramina den Drachen nicht sagen kann, wo sie ist, kommt es nicht darauf an, ob sie sie hört oder umgekehrt.«
»Ganz meine Meinung. Raid ...«
Lessa stand auf.
»Sie haben doch sicher Karten in der Burg, auf denen die ausge-dehnteren Höhlensysteme verzeichnet sind Die Bande hat einen 277
Vorsprung von etwa sechs Stunden. Wir wissen nicht, wann sie ihr Ziel erreicht hat deshalb müssen auch die Höhlen in der näheren Umgebung durchsucht werden. Wir müssen berücksichtigen wie weit sie in diesem Gelände hätten kommen können; sie wurden weder auf den Straßen gesehen, noch von den Drachen, die vor drei Stunden die Suche aufgenommen haben, aus der Luft entdeckt.
Wir haben schon genug Zeit vergeudet.«
*
Von Erinnerungen an die schwarze Grube in Kimmage verfolgt, meldete Jayge sich zu einem der Suchtrupps. Drei Mitglieder der zehnköpfigen Gruppe hatten Feuerechsen und konnten ständig Verbindung mit Weyr und Burg halten. Als sie am Abend erschöpft die siebente Höhle verließen, die sie durchsucht hatten, erreichte sie die Nachricht, Aramina sei noch am Leben und habe mit Heth gesprochen. Um sie herum sei alles pechschwarz, sie könne nichts sehen und nur sechs Schritte machen, ehe sie die andere Seite ihres Gefängnisses erreiche. Es sei feucht und rieche verwest - mehr nach Schlangen als nach Wheren.
»Ein tapferes Mädchen«, lobte der Anführer des Trupps. »Wir essen, legen uns hin und suchen weiter, sobald wir die Hand wieder vor den Augen sehen können.«
Zum Teufel mit der Verwandtschaft! dachte Jayge bei sich, während er sich bemühte, Schlaf zu finden - er würde nicht nur Thella und Dushik, sondern auch Readis mit bloßen Händen erwürgen.
Sie suchten noch zwei Tage, und dann gerieten sie in einen Steinschlag. Zwei Männer wurden schwer verletzt - der eine hatte sich ein Bein gebrochen, dem anderen hatten die Steine den Brustkorb eingedrückt - und mußten ausgegraben werden. Jayge kam der Felssturz sofort verdächtig vor, und er erklärte dem Anführer, er 278
wolle sich genauer umsehen, während die anderen die Verletzten in ein nahegelegenes Gehöft brachten.
Er nahm sich beim Aufstieg sehr in acht, wählte als Ziel einen Grat, von dem aus er das Ende der kleineren Mure überblicken konnte, und suchte sich einen Weg, auf dem er genügend Deckung hatte. Oben angelangt, legte er sich flach auf den Boden und wartete.
Lange Zeit geschah nichts.
Als ihm schließlich Verwesungsgeruch in die Nase stieg, hatte er so lange in derselben Stellung verharrt, daß er nicht schnell genug reagierte - eine kräftige Hand riß ihm den Arm hinter den Rücken und bog ihn nach oben bis zum Schulterblatt, eine zweite legte sich über seinen Mund. Jayge hatte sich immer für stark gehalten, doch so sehr er sich auch wehrte, diesen geschickt angesetzten, schmerz-haften Griffen konnte er sich nicht entwinden.
»Ich hab schon immer gesagt, daß du der hellste Kopf in der Familie bist, Jayge«, flüsterte Readis ihm ins Ohr. »Halt still! Dushik ist hier irgendwo in der Nähe. Wir müssen hinter seinem Rücken absteigen, uns von der anderen Seite heranpirschen und sie aus der Grube holen, ehe die Schlangen sie bei lebendigem Leibe auffressen. Das wolltest du doch, nicht wahr? Du brauchst nur zu nicken.«
Jayge bewegte mühsam den Kopf, und die Hand über seinem Mund wurde weggezogen.
»Dushik würde dich auf der Stelle töten, Jayge.«
»Warum habt ihr das Mädchen entführt?«
Jayge drehte sich um und sah seinen Onkel an, der seinen Arm immer noch nicht freigab. Readis war über und über mit Schleim verschmiert, sein Gesicht wirkte hager, seine Augen waren gerötet, die Wangen eingefallen und die Lippen verbittert zusammengekniffen. Seine Kleider waren zerlumpt und ebenfalls glitschig, und über der Schulter trug er ein mit Schleim überzogenes Seil.
»Ich doch nicht! Ich bin weder wahnsinnig noch
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