Pern 10 - Die Renegaten von Pern
Tag in der Nähe der Burg zum ersten Mal gehört und falsch verstanden hatte, kam ihm nun wie von selbst über die Lippen.
»Wir sind hier. Wir lassen ein Seil zu dir hinab.«
Er wandte sich an Readis.
»Können wir nicht auch das Licht hinunterschicken? Sie kann es ja wieder mit heraufbringen.«
»Gute Idee.«
Readis legte die Schlinge um den Leuchtkorb und ließ ihn rasch Hand über Hand die Grube hinab.
Sie sahen das Licht weiter und weiter versinken. Gerade als Jayge schon dachte, die Grube wolle überhaupt kein Ende nehmen, hielt es an.
»Du mußt mit den Armen durch die Schlinge schlüpfen«, rief er Aramina zu. »Wir ziehen dich schnell herauf, also halte dich gut fest.«
»Du mußt mir helfen, Jayge«, sagte Readis. Jayge packte mit an, 282
das Seil bewegte sich in ihren Händen, als sie es sich um den Leib band. Dann begannen sie zu ziehen.
Aramina war nicht schwer, aber das derbe Seil war glitschig, Jayge fürchtete, es könne ihm entgleiten, und krallte die Finger tief in den Hanf. Aramina wurde durch den heftigen Ruck gegen die Grubenwand geschleudert und stöhnte auf. Jayge zuckte zusammen.
Doch das Licht kam stetig näher. Endlich beugte Jayge sich hinab, faßte zu und hätte ihr fast den Arm ausgerenkt, als er sie über die Kante hievte. Zitternd und keuchend klammerte sie sich an ihn. Er war gerade im Begriff, sie von ihrem schaurigen Gefängnis wegzu-tragen, als er das warnende Keuchen seines Onkels hörte.
Ein schwarzer Schatten fiel über Readis her, und ehe Jayge einen Finger rühren konnte, stürzten zwei Körper in die Grube, ihre Schreie hallten gräßlich wider. Jayge drückte Aramina fest an sich und versuchte, ihr die Ohren zuzuhalten.
»Komm. Wenn Thella in der Nähe ist ...«
Er stellte das bebende Mädchen auf die Beine, griff nach dem fast erloschenen Leuchtkorb und wandte sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Aramina wankte, hielt sich aber aufrecht. Jayge spürte, wie wilde Krämpfe ihren Körper schüttelten. Sie schluchzte, und ihre Finger gruben sich in seine Hand.
Wie konnte er ihr zumuten, durch den engen dunklen Gang zu kriechen?
Er wandte sich ihr zu, um ihr zu sagen, sie solle den Leuchtkorb nehmen und vorangehen, und dabei bemerkte er, daß sie nicht nur mit Schleim besudelt war - sie war nackt.
Sie zitterte mehr vor Kälte als vor Angst oder wegen des über-standenen Schreckens, und wenn sie durch den Tunnel kroch, würde sie sich die Haut blutig schürfen. Er zog seine Jacke aus und steckte ihr die Arme hinein. Die Jacke reichte ihr bis an die Hüften.
Dann schlüpfte er aus seinem Hemd, riß es in Streifen und umwi-283
ckelte ihr damit Knie und Füße.
»Das hilft ein wenig«, sagte er. »Schieb den Leuchtkorb vor dir her. Es ist nicht weit bis nach oben. Stoß dir den Kopf nicht an.
Los!«
Ein schauriges Stöhnen hallte durch die Tunnel und Gänge des unheimlichen Höhlensystems, und das genügte, um sie in Bewegung zu bringen. Schluchzend vor Angst ließ sie sich auf Hände und Knie nieder und kroch in den Tunnel. Jayge hoffte inständig, es möge Thellas Körper gewesen sein, der da zu Readis in die Grube gestürzt war.
Irgendwie schafften sie es, nach draußen zu gelangen.
Dort herrschte tiefe Dämmerung. Im schwachen Schein des Leuchtkorbs tasteten sie sich hangabwärts auf sicheres Gelände.
Jayge fand sein Bündel wieder, das er zurückgelassen hatte, als er sich aufmachte, um den Steinschlag zu untersuchen, holte die Decke heraus und legte sie ihr um, ehe er nach seinem Topf mit Heilsalbe kramte.
»Könntest du jetzt die Drachen rufen, damit sie uns von hier fortbringen?« fragte er, während er ihre Beine und Füße mit Salbe bestrich.
»Nein.«
Verwirrt blickte er zu ihr auf.
»Sag das noch mal.«
»Nein, ich werde die Drachen nicht rufen. Wenn ich sie nicht hören könnte, wäre mir das alles nie passiert.«
Sie legte ihm die abgeschürften, mit blauen Flecken übersäten Hände auf den Arm. »Jayge, du weißt ja nicht, wie das ist. Ich höre sie sogar jetzt. Besonders Heth, der lautlos nach mir weint. Ich weine auch, aber ich werde ihm nicht antworten. Ich kann es nicht!
Sie würden mich im Benden-Weyr festhalten, und dort müßte ich sie hören, ständig, tagein, tagaus!« Jetzt liefen ihr die Tränen über das Gesicht, und ihre Finger krampften sich um seinen Arm. »In der 284
Burg war es nicht so schlimm. Da gab es nur den Wachdrachen, und der schlief die meiste Zeit. Wenn die Patrouillenreiter miteinander
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