Pern 10 - Die Renegaten von Pern
würden, hatte der Junge erklärt, >weil die Drachen miteinander darüber reden<.
Giron nickte Thella zu, während er den >Tauben< scheinbar ohne Neugier musterte. Ihm war kein Wort entgangen.
»Ich glaube«, sagte Thella, nachdem sie Risiken und Vorteile gegeneinander abgewogen hatte, »ich glaube, mit diesem faszinierenden Kind muß ich mich einmal unterhalten. Kennst du ihren Namen, tauber Mann?«
»Aramina, Lady Thella. Aramina ist ihr Name. Ihr Pa is Dowell, der Zimmermann; ihre Ma nennt sich Barla; der Junge heißt Pell, und da ist noch ein ...«
Sie fiel ihm ins Wort. »Und sie wohnen alle in den Höhlen von Igen?« Er nickte hastig, und sie fragte weiter: »Werden sie noch länger bleiben?«
»Sie sind schon ein paar Planetenumläufe dort. Er arbeitet und verkauft seine Sachen auf den Festen, außerdem macht er auch Möbel ...«
»Das interessiert mich nicht, guter Mann«, wehrte sie kalt ab. Er gurgelte beim Sprechen, als habe er ständig Schleim in der Kehle, und das klang nicht nur ekelhaft, sondern auch aufreizend monoton.
»Sie werden also wohl nicht so schnell verschwinden?«
»Wohin denn, Lady?« fragte er ungeniert zurück und hob ratlos beide Hände.
Sie winkte Dushik und Readis zu sich. »Ich gehe. Dushik, du bleibst hier.« Dann sah sie den ehemaligen Drachenreiter an.
»Giron, du kommst mit mir.« Es ärgerte sie, daß ihre Worte eher 146
wie eine Frage denn wie ein Befehl klangen, aber Giron nickte mit zuckenden Lippen. »Du würdest es doch merken, wenn sie tatsächlich Drachen hören könnte?« fragte sie.
Giron schwieg, was bei ihm gewöhnlich Zustimmung bedeutete, und Thella erhob sich und verließ mit Dushik den Raum. Der Informant taute am Feuer allmählich auf und verbreitete einen unerträglichen Geruch.
»Dushik, du kümmerst dich um ihn!« befahl sie.
Ein tauber Mann konnte vielleicht Geschichten erzählen, ein toter Mann nicht. Dushik gehorchte, wie immer.
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Igen und Lemos
12. Planetenumlauf
Als Thella mit Giron das Höhlenlabyrinth von Igen erreichte, stellte sie erbost fest, daß ihr gewohnter Geheimeingang neuerlich blockiert worden war. Sie war so wütend, daß sie Giron sogar half, die Mauer zu zerstören.
»Keine gute Arbeit«, sagte Giron, als der Mörtel bei der ersten Berührung seines Messers abbröckelte.
»Ich würde jedem Maurer die Haut abziehen, der so pfuscht«, fauchte Thella mit zusammengebissenen Zähnen. Sie war müde und hatte damit gerechnet, mühelos in den Komplex zu gelangen, ohne von der Igen-Patrouille bemerkt zu werden, die sie aus der Ferne gesehen hatten.
Der Zugang war für ihre Zwecke ausgezeichnet gelegen. Die Öffnung, gerade hoch genug, um einen Renner durchzulassen, wurde teilweise von einem Gewirr junger Himmelsbesen verdeckt.
Innen war die Decke so hoch, daß selbst ein großer Mann aufrecht stehen konnte. Rechts vom Eingang befand sich eine kleine Grotte, wo man die Tiere unterstellen konnte, und es gab sogar ein Becken mit Sickerwasser. Vom Eingang gingen vier Tunnel ab, zwei davon endeten in gefährlichen, senkrecht abfallenden Schächten, der breiteste stieß tief ins Innere des Höhlensystems vor, und der vierte und schmälste schien nach einer Drachenlänge aufzuhören, machte aber in Wirklichkeit nur eine scharfe Biegung nach rechts und mündete in einen der sich kreuzenden Hauptgänge, die in die bewohnten Teile des Komplexes führten.
Es war ganz einfach, ohne irgendwelchen Wachen von Baron Laudey zu begegnen, in die großen Gewölbe vorzudringen, wo sich die Menschen untertags versammelten. Thella nahm Verbindung mit 148
einem ihrer regelmäßigen Informanten auf, dennoch verging der ganze Vormittag, bis sie einen kurzen Blick auf ihre Beute werfen konnte. Sie war nicht sehr beeindruckt.
Aramina, ein schlankes braunhäutiges Mädchen, hatte die Hosen bis zu den Knien aufgerollt, und Arme und Beine zeigten Schlamm-spuren. Auch die Kleidung war verschmutzt, und als sie an Thellas Ausguck vorüberkam, verströmte sie einen durchdringenden Geruch nach Schlick und nach den Muscheln in ihrem Netz. Ein kleiner, noch schmutzigerer Junge zockelte hinter ihr her und rief:
»Aramina, warte auf mich!« Damit war das Mädchen für Thella eindeutig identifiziert.
Sie sah, wie Girons kalte Augen den beiden folgten, und seine drohende Miene bereitete ihr Unbehagen.
»Ich brauche einen Beweis für ihre Fähigkeiten«, sagte sie. »Sie ist in einem schwierigen Alter. Zu alt, um noch lenkbar zu sein, und zu jung, als daß
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