Pern 10 - Die Renegaten von Pern
einer der Truhen herunter und schickte ihn um einen sauberen Becher für die Hofbesitzerin. Aramina, in Rock und weiter Bluse, griff nach dem Krug und füllte den Becher mit Klah, Barla, die Frau, reichte ihn höflich an Thella weiter.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Barla, tapfer bemüht, ihre Verlegenheit darüber zu verbergen, daß sie nur eine Truhe und keine Stühle anzubieten hatte.
Thella nahm Platz. Durchaus denkbar, dachte sie daß Fax an dieser Frau Gefallen gefunden hatte: Barla war immer noch schön, trotz der tiefen Sorgenfalten um Mund und Augen. Der Junge starrte die frühe Besucherin fassungslos an. Das jüngste Kind schlief im hinteren Teil des Raums.
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»Gutes Holz ist nicht leicht zu bekommen«, sagte Dowell.
»Ach.« Über solche Bedenken war Thella erhaben.
»Das ist kein Problem. Ich brauche zwei Lehnstühle mit Fel-lisblattmuster, als Hochzeitsgeschenk. Sie müssen fertig sein, ehe der Paß zur Hochplateau-Siedlung zugeschneit ist. Läßt sich das machen?«
Sie begriff nicht, warum Dowell zögerte. Er nahm doch sicher Aufträge an, und er trug weder die Farben, noch den Schulterknoten einer Gildehalle. Er warf einen ängstlichen Blick auf seine Frau.
»Ich würde es mir eine Viertelmarke kosten lassen, wenn ich bis heute abend ein paar Entwürfe sehen könnte.« Thella kramte eine Hand voll Marken aus ihrem Beutel, suchte ein Viertel heraus und hielt es in die Höhe. »Ein Viertel für die Skizzen. Über den Preis werden wir reden, wenn ich mir ausgesucht habe, was mir gefällt, aber ich bin nicht kleinlich.« Sie bemerkte das gierige Aufblitzen in den Augen der Frau und sah auch, wie sie ihren Mann unauffällig anstieß.
»Ja, Entwürfe kann ich Ihnen anfertigen, Lady. Bis heute abend?«
»Ausgezeichnet. Bis heute abend.«
Thella stand auf und drückte ihm die Marke in die Hand. Dann drehte sie sich um, als sei ihr plötzlich etwas eingefallen, und lächelte Aramina freundlich zu.
»Habe ich dich nicht gestern gesehen? Mit einem Netz voll Muscheln?« Warum zuckte das Mädchen zusammen und sah sie so mißtrauisch an?
»Ja, Lady«, brachte Aramina mühsam heraus.
»Gehst du jeden Tag sammeln, damit deine Familie twas zu essen hat?« Worüber redete man nur mit einem schüchternen Mädchen, das Drachen hören konnte?
»Alles, was wir sammeln, wird geteilt«, erklärte Aramina und reckte stolz das Kinn.
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»Lobenswert, sehr lobenswert«, sagte Thella, obwohl sie diese Empfindlichkeit bei einer Heimatlosen doch sehr merkwürdig fand.
»Wir sehen uns dann heute abend, Meister Dowell.«
»Geselle, Lady. Geselle.«
»Pah. Bei den Schnitzereien, die ich gesehen habe?«
Sie ließ das Kompliment im Raum stehen. Mit Dowell und seinem Anhang mußte man behutsam umgehen.
Sie hörte, wie die Frau aufgeregt auf ihren Mann einflüsterte. Eine Viertelmarke war keine Kleinigkeit für eine heimatlose Familie.
Wo, fragte sich Thella, sollte sie nun abgelagertes Holz herbe-kommen, von guter Qualität, wie eine wohlhabende Hofbesitzerin es für ein Hochzeitsgeschenk wählen würde?
Als sie am Abend zurückkam, legte er ihr fünf Entwürfe vor, und sie geizte nicht mit Lob. Er konnte wahrhaftig zeichnen und hatte eine schöne Kollektion von Stuhlformen zusammengestellt. Sie war schon versucht, ihm den Auftrag tatsächlich zu erteilen, anstatt ihn nur damit zu ködern, um das Vertrauen seiner Tochter zu gewinnen.
Solche Stühle wären viel bequemer als die Klappsitze aus Segeltuch und die harten Bänke, mit denen sie sich im Moment begnügen mußte.
Das Modell mit der harfenförmigen Lehne ließe sich leicht in Einzelteilen zu ihrer Festung transportieren und dort zusammenlei-men. Ein Entwurf mit hoher, gerader Rückenlehne, breiten, elegant geschwungenen Armlehnen und verzierten Beinen und Querstreben war besonders gut gelungen.
Unvermittelt kam Giron den Gang entlang und winkte ihr hastig zu.
»Lassen Sie mir ein paar Tage Zeit, um mich zu entscheiden, Dowell«, bat sie, stand auf und faltete die Blätter sorgfältig zusammen. »Ich bringe die Skizzen wieder mit, und dann reden wir weiter.«
Die Frau sprach leise auf den Tischler ein. Aber Giron drängte mit 158
einer Kopfbewegung zur Eile, und so folgte sie ihm in den nächsten schmalen Seitengang.
»Ein Suchtrupp!« flüsterte er nur, sie übernahm die Führung, und dann schlichen sie durch düstere Korridore, bis sie außer Reichweite waren.
Zwei Tage später schickte sie Giron voraus, um sich zu vergewissern, daß an diesem
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