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Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Titel: Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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säße.
    „Seit mich Sir Henry gerettet hat!“ Als Jamesberry Dickis erstaunte und zugleich neugierige Blicke sieht, beugt er sich nach vorn und erklärt mit halbgeschlosserten Lidern: „Ich war nämlich früher Seemann“, und es klingt, als habe er soeben seine 25jährige Zugehörigkeit zum Geheimbund Ku-Klux-Klan gestanden.
    Dicki ist beeindruckt. Als echten Jungen fasziniert ihn alles, was mit der Seefahrt zu tun hat oder mit ihr zusammenhängt. Ist es nicht der Beruf, bei dem die meisten Abenteuer erlebt werden? Auch Dicki ist dieser Überzeugung. Noch weiß er nichts von dem wirklichen „Seemannsleben”, weiß er nicht, daß durch die ständig fortschreitende technische Entwicklung auch die Schiffe immer schneller werden und die Liegezeiten in den Häfen immer kürzer. Und kürzer wird dadurch auch die Zeit, die den Seeleuten für die sogenannten Abenteuer übrigbleibt. —
    „Sie waren ein richtiger Seemann?“ fragt Dicki.
    „Ich war zuletzt Erster Steuermann auf der ,Jamaika’ . Es war ein Erzfrachter, der zwischen England, Norwegen und Schweden verkehrte. Eines Tages bin ich über Bord gefallen, und Sir Henry hat mich herausgefischt, er hat mir das Leben gerettet. Trotz der hohen Wellen… hundert Meter hohe Wellen!“
    Hat Dicki bis hierher alles widerspruchslos hingenommen, so erhebt er jetzt energischen Protest: „Das ist geschwindelt! Hundert Meter hohe Wellen gibt es gar nicht.“
    „Na ja“, schränkt Jamesberry ein und zeigt mit der flachen Hand einen Meter über den Boden, „aber zehn Meter hoch waren sie bestimmt!“
    Doch in Dicki ist bereits das Mißtrauen erwacht, und er verdächtigt Jamesberry, Seemannsgarn zu spinnen. Jamesberry, der den Stimmungsumschwung seines Zuhörers bemerkt, spielt den Zerknirschten und spricht: „Du wirst mir doch nicht böse sein, Dicki, wegen der Wellen — ein Seemann übertreibt gern einmal. Ich habe einen gekannt, der war Smutje. Fast drei Meter lang war der, ich …“
    „Mister Jamesberry, jetzt schwindeln Sie ja schon wieder!“ ruft Dicki, und Jamesberry reibt sich verschmitzt die Nase. „Was sage ich? Ich kann es einfach nicht lassen!“
    „Wie wär’s, wenn Sie mir noch etwas Vorsingen?“ schlägt Dicki vor. „Singen Sie doch mal ein Seemannslied.“ Jamesberry greift bereitwillig zur Gitarre und läßt ein paar Töne erklingen.

    Während Jamesberry ein altbekanntes Seemannslied anstimmt, wird im Salon der Everbridges gerade Sherry gereicht.
    Das Essen selbst verläuft ziemlich einsilbig, und Perry Clif-ton findet Zeit und Muße, seine Gastgeber einer unauffälligen Musterung zu unterziehen.
    Da ist zunächst Sir Henry Everbridge. Er mag ungefähr 45 Jahre alt sein und hat, im Gegensatz zu Sir Douglas, dichtes, volles Haar und einen sehr gebräunten Teint. Seine Bewegungen und Gesten verraten eine gewisse saloppe Einstellung zum Leben und verstärken den Eindruck, daß die Brüder auch in dieser Hinsicht von unterschiedlicher Auffassung zu sein scheinen. Sir Henry hat Perry mit unverbindlicher, kühler Höflichkeit begrüßt und sich nicht weiter nach dessen Tun erkundigt. Auch sonst spricht nichts für eine auffällige Redseligkeit, obgleich Perry noch nicht herausgefunden hat, ob Sir Henry von Natur aus so zurückhaltend ist oder ob er dies nur ihm gegenüber zeigt. Nur eines hat er mit seinem Bruder gemeinsam: Ihre Kleidung weist keineswegs den neuesten Schnitt auf und sdieint auch sonst ein wenig betagt zu sein. Eine Tatsache, die zumindest für Sir Henry befremdlich erscheint.
    Doch nun zu Lady Pamela. Als Perry Clifton ihr vorgestellt wird, sieht sie diesen mit einem vorwurfsvollen Blick sekundenlang durchbohrend an. Als sie jedoch Perry Clif-tons Befremden bemerkt, verzieht sich ihr Mund zu einem gequälten Lächeln, und Clifton kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß hinter diesem Lächeln großes Leid — oder große Sorgen versteckt werden. Doch was soll der vorwurfsvolle Blick bedeuten?
    Aber die Ungereimtheiten sollen sich noch verstärken. Alle vier sind gerade mit dem Essen fertig und haben das Besteck zur Seite gelegt — Perry Clifton will Sir Henry eben etwas fragen —, als Lady Pamela fieberhaft zu sprechen beginnt. Und es sind reichlich zusammenhanglose Dinge, von denen Lady Pamela spricht.
    „…Polly, rufe ich, Polly, das ist nichts für dich… Doch Polly hört nicht. Sie läßt es los, und da passiert es, das Buch fällt vom Tisch… verstehen Sie das, Mister Clifton?“
    Perry Clifton neigt höflich das

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