Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen
Neugier.“
Mallory zeigt plötzlich auf das Motorboot. „Wie gefällt Ihnen die Jane ?“
„Ausgezeichnet, Professor. Ist es Ihr Boot?“
„Ja. Manchmal unternehme ich kleine Streifzüge auf die benachbarten Inseln, um nach Steinen und Mineralien zu suchen. Die winzige Bucht hier unten ist als Privathafen sehr geeignet, nur — der Ab- und Anstieg ist ein wenig beschwerlich.“
„Sie sind also ein Einsiedler und Menschenfeind.“
Mallory winkt energisch ab. „Auf keinen Fall“, und mit einem listigen Augenzwinkern nickt er gleich darauf Perry Clifton auffordernd zu: „Haben Sie nicht Lust, auf eine Tasse Tee oder ein Glas Punsch mein Gast zu sein?“ Vielsagend verspricht er: „Ich habe ein Punschrezept — so was haben Sie sicher noch nie getrunken — , es ist ein Geheimrezept!“
Perry Clifton tut, als müsse er sich das Angebot des Professors erst noch gründlich überlegen; dabei ist er bereits fest entschlossen, die Einladung anzunehmen.
Der Detektiv folgt leichtfüßig dem schweratmenden Mallory. Noch wenige Meter haben sie bis zu dem weißen Haus auf der Felsnase zurückzulegen, und Perry Clifton muß zu seiner Enttäuschung feststellen, daß das Haus aus der Nähe lange nicht so verlockend, leuchtend und imposant aussieht wie aus einigen hundert Metern Entfernung.
Tiefe Risse durchziehen die weißgetünchte Fassade. Zwischen umgestürzten Steinen, Blumentopfscherben und Moosflechten blühen ein paar dürftige Blumen.
Der Professor schließt die Haustür auf. Wüßte Perry nicht, daß Professor Mallory Mineraloge ist, so wäre ihm dies spätestens jetzt zur Gewißheit geworden. Wo er auch hinsieht: Steine, Steine und nochmals Steine; auf Regalen und Konsolen, in Vitrinen, Glaskästen und offenen Kartons.
Perry wird bei diesem Anblick unwillkürlich an Stenley Foreman erinnert, einen Ornithologen in London, in dessen Wohnung nur Platz für ein Bett, einen Schrank und einen Tisch war. Jeder andere Quadratzentimeter gehörte seinen Vögeln. Schon beim Eintritt stockte dem ahnungslosen Besucher der Atem: Ein ausgestopfter, furchteinflößender Steinadler mit schlagbereiten Fängen schien auf den Eintretenden zuzustürzen.
Professor Mallory ist in der Küche verschwunden, um seinen geheimnisvollen Punsch zu brauen. Perry Clifton tritt an das breite Fenster: Nichts verstellt von hier aus den Blick auf die Weite des Atlantiks.
Da hört er Mallorys Stimme wieder.
„Meine Aussicht gefällt Ihnen, ja? Dort drüben verläuft übrigens die Schiffahrtsroute nach der amerikanischen Ostküste.“
„Und aus welchen englischen Häfen kommen sie?“
Professor Mallory zuckt die Achseln und erwidert unsicher: „Ich bin kein Experte auf dem Gebiet des Schiffahrtswesens. Aber wenn ich mich nicht irre, kommen die meisten aus Plymouth. Ich meine, einmal so etwas gehört zu haben.“
„So, so, aus Plymouth...“ Perry Clifton will sein Interesse nicht allzu offen zeigen.
„Sagen Sie, Professor — ich kann dort drüben eine kleine Insel erkennen. Ist die bewohnt?“
„Oh, das ist ein Gebiet, über das ich Ihnen nun wieder sehr erschöpfend Auskunft geben kann. Die Insel heißt Little Stone und besteht zu hundert Prozent aus vulkanischem Gestein. Sie ist unbewohnt. Es gab einmal eine Rettungsstation auf Little Stone. Ich glaube, sie wurde schon vor sechs Jahren aufgegeben.“
Professor Mallory faßt Perry Clifton am Arm und dirigiert ihn zum Tisch: „Wollen Sie, daß mein Teufelsgetränk kalt wird? Einen Punsch wie meinen kann man nur im glühenden Zustand genießen.“
Eine Zeitlang herrscht Schweigen. Beide nippen vorsichtig an dem dampfendheißen Getränk. Schon nach dem ersten Schluck spürt Perry, daß der Professor nicht zu viel versprochen hat.
Wie heiße Lava rinnen die Tropfen durch seinen Körper. Mit Tränen in den Augen gesteht er: „Sie hatten recht, Professor. Das ist kein Punsch, das ist flüssiges Höllenfeuer. Was, zum Teufel, haben Sie da alles hineingemixt?“
„Es ist ein Geheimnis. Alte Überlieferung der Mallorys.“
„Okay, Professor“, nickt Perry Mallory mit nassen Augen zu. „Aber was Sie mir doch verraten müssen, Professor: Warum ist das Fenster nicht zu öffnen?“
Mallory blickt Perry Clifton einige Atemzüge lang geistesabwesend an. Über seine Miene hat sich ein ängstlicher Ausdruck gelegt, und auch seine Stimme ist plötzlich belegt:
„Vielleicht aus Aberglaube...“
Perry spürt, daß er das Thema schnell wechseln muß:
„Wenn Sie Lust haben,
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