Perry Rhodan - 2503 - Die Falle von Dhogar
bemerkenswert, dass ihn das niemand aus dem Führungsstab gefragt hatte.
»Überhaupt nicht«, gestand er. »Das war gepokert.«
»Gepokert?« Im Gesicht des jungen Mannes stand Ernüchterung zu lesen.
»Ich bin ziemlich gut im Pokern«, sagte Bull. »Das kommt mit der Übung.«
»Verstehe«, sagte Lech Hallon. Er hielt den Umschlag immer noch in der Hand, als müsse er sein Gewicht schätzen. »War es nicht ein Risiko, mich einzuweihen? Ich meine, du hast nicht einmal deinen Führungsstab unterrichtet.«
Bull kratzte sich das Kinn. Zeit, sich mal wieder zu rasieren. »Also, warum ich so wenig Eingeweihte wie möglich wollte, habe ich ja erklärt. Aber ich brauchte jemanden, der die nötige Kommunikation unauffällig für mich bewerkstelligte. Das hätte ich nicht selber machen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.«
»Aber es hätte doch sein können, dass ich etwas ausplaudere?«
Bull überlegte. Natürlich, der Gedanke war da gewesen, aber ...
»Ich hielt dich für zuverlässig«, erklärte er. »Ich hatte das Gefühl, ich kann dir vertrauen.«
*
ITHAFOR
16. Januar 1463 NGZ
Liebe Katarissa,
es fällt mir schwer, diesen Brief zu beginnen: Es könnte sein, dass es für lange Zeit der letzte sein wird, den ich Dir schreibe. Nicht, weil ich aufgehört hätte, Dich zu lieben, wohlgemerkt – daran wird sich nie etwas ändern. Aber ich glaube, es ist um meinetwillen notwendig.
Gestern Abend habe ich Bull von Dir erzählt. Ich weiß gar nicht recht, wieso eigentlich; ich habe das mit uns bisher immer als Geheimnis bewahrt. Aber irgendwie war es der Moment dafür.
Es tat gut, es einmal jemandem zu erzählen – aber ehrlich gesagt, als es heraus war, schoss mir siedend heiß durch den Kopf: Oje, jetzt krieg ich einen Vortrag zu hören! Ein Mensch mit dreitausend Jahren Lebenserfahrung wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einem Jüngling wie mir ausführlich auseinanderzusetzen, wo die Kugeln so rollen im Dasein.
Ich war gefasst auf eine geballte Ladung Lebensmaximen für den Hausgebrauch, auf Sprüche von wegen die Toten ruhen lassen, nach vorn schauen, das Leben geht weiter – all die Sätze, die ich schon zu oft zu hören gekriegt habe und nicht mehr hören mag, weil sie meistens doch bloß so dahingesagt werden.
Immer, wenn mir jemand mit so einer Weisheit kam, hatte ich das Gefühl, er will mir im Grunde sagen, dass ihn meine Trauer um Dich nervt und ich jetzt, bitte schön, damit aufhören soll, weil es ihm unangenehm ist, an seine eigene Sterblichkeit erinnert zu werden.
Aber Bull hat gar nicht viel gesagt. Das hat mich in dem Moment kolossal überrascht und verblüfft mich immer noch, wenn ich daran zurückdenke. Er meinte nur, er verstehe das und finde es gut. Das war alles.
Und weißt Du was? Ich glaube ihm. Ich glaube, dass er das wirklich versteht. Weil, wenn man sich mal vorzustellen versucht, wie es sein muss, immer weiterzuleben, während fast alle anderen Menschen um einen herum heranwachsen, altern und sterben – so jemand kann gar nicht anders, als das zu verstehen.
Klar, auf der einen Seite muss er keine Angst vor Krankheiten und Hinfälligkeit haben, und von der Zeit gehetzt wird er auch nicht. Das ist ja das, worum man die Zellaktivatorträger in der Regel beneidet. Aber wenn ich mir vorzustellen versuche, der größte Teil der Menschen, die ich in meinem Leben gekannt habe, wären längst tot ... Es muss ein ziemlich einsames Leben sein, und ich bin mir nicht sicher, ob es das wert ist.
Jedenfalls habe ich, nachdem er gegangen war, noch eine ganze Weile da auf meiner Pritsche gesessen und habe nach-gedacht. Oder besser gesagt, es hat in mir gearbeitet. Auf einmal habe ich verstanden – wirklich verstanden, weißt Du? –, dass das Leben selbst tatsächlich immer weitergeht, immer weitergehen, sich ständig wandeln und erneuern muss. Ohne diese Erneuerung – zu der untrennbar auch der Tod gehört, Deiner wie meiner – würde das Leben irgendwann zum Stillstand kommen.
Ich sehe jetzt, geliebte Katarissa, dass wir beide etwas hatten, was so nur wenigen Menschen vergönnt ist: eine Liebe praktisch vom ersten Tag unseres Lebens an, eines Lebens, das damit begann, dass wir nie einsam waren. Ich werde nie aufhören, dafür dankbar zu sein. Genauso wenig, wie ich je aufhören werde, Dich zu lieben und zu vermissen. Aber ich sehe auch, dass ich mich öffnen muss für das, was das Leben noch für mich bereithält. Dass ich nicht versuchen darf, die Dinge zum
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