Perry Rhodan - Jupiter
australischen Stadt und schloss sich mir nichts, dir nichts einer Trauergemeinde an, die einem Begräbnis beiwohnte. Schritt um Schritt ging es zum Grab, endlich stand Beaujean an der offenen Erdgrube und warf mit der Schaufel eine Handvoll Erde hinab. Er schüttelte der Witwe die Hand, ihrem Sohn, ihrer Tochter. Ließ der Tochter Hand jedoch nicht wieder los, sondern zog die junge Frau zu sich heran, umarmte sie und küsste sie auf den Mund.
Küsste sie, sagen wir mal: innig und atemlos.
Dann ließ er ab von ihr und sagte: »So«, um seiner Wege zu gehen.
Ende der Geschichte.
Einer angezeigten psychosanierenden Therapie hatte er sich entzogen, indem er nach Io geflohen war und von dort aus auf das Diamantene Floß, dessen damaliger Prior, Meister Jorge, ihn in Gnaden aufgenommen hatte, während er den Behörden der Liga jeden Zugriff verwehrte, indem er das Kloster im Orbit des Gasplaneten kurzerhand zum unabhängigen Freistaat erklärte.
Als ich im Rahmen meiner auf zwei Jahre befristeten Auszeit vom Liga-Dienst auf das Diamantene Floß gekommen war, hatte Meister Beaujean längst als Prior amtiert.
»Niemand von euch hat etwas gemerkt«, sagte Meister Beaujean.
»Weil nichts geschehen ist«, sagte ich.
»Strohkopf«, sagte er leise. Es klang nicht wie eine Rüge, eher – ja, wie? Gerührt? Mitleidig?
»Oder?«, fragte ich.
Er stand auf und nahm mich am Ellenbogen – eine bislang ungekannte Vertrautheit.
»Wohin gehen wir?« Als hätten wir eine große Auswahl auf dem Diamantenen Floß, diesem hundertzwanzig Meter durchmessenden und gut fünfzig Meter hohen Diskusschiff, das der Orden vor über vierhundert Jahren den Gatasern abgekauft hatte?
Die Jülziish hatten das Schiff von allen offensiven Waffensystemen entkernt; auch die Triebwerke waren weitgehend demontiert worden, nachdem das Schiff seinen stationären Orbit über dem Sturmauge Jupiters erreicht hatte.
Die Ankäufer hatten stattdessen ein leistungsschwaches Photonentriebwerk eingebaut, das gerade hinreichte, den Kurs des Schiffes – des Diamantenen Floßes – gegebenenfalls zu korrigieren.
Wir stiegen vom TV-Raum im vierten Deck über die Leiter im deaktivierten Antigravschacht ins sechste Deck hoch, in die alte Kommandozentrale des Schiffes.
Zur Zelle von Meister Beaujean also.
Die Tür öffnete sich. Wir traten ein. Ich hielt überrascht den Atem an. Die Zelle von Meister Beaujean war eine Rumpelkammer. Überall Ramsch und Plunder aus Blech und Eisen auf dem Boden; hier und da erhob sich etwas wie eine Statue, ein blechernes Monument. Ich sah etwas wie eine Glocke auf zwei Stelzen. Die Glocke schien aus einem einzigen, mehr oder weniger geschickt gewundenen Metallstreifen zu bestehen; übereinanderlappende Ränder des Metallbandes waren miteinander vernietet. Aus den Seiten der Glocke ragten vier oder fünf plumpe Flügel, die sich quietschend drehten. Gekrönt wurde das ganze Gebilde von einem handspannengroßen Bügel, an dem eine kleinere Glocke hing.
Neben der stehenden Glocke ein Wal aus Blech, annähernd drei Meter lang, zwei Meter hoch. Das Maul geöffnet, angespitzte Schrauben als Zähne. Der Hinterleib der Skulptur verjüngte sich übermäßig und bog sich auf wie der Holm einer Pfeife für Riesen, eine Pfeife, deren Kopf der Walkopf war. Mit blassroter Farbe war die Ziffer 7 auf das Blech gemalt.
Die übrigen Gegenstände waren zu bizarr oder derart ohne Vorbild, dass ich nicht das Geringste mit ihnen verbinden konnte.
»Meine kleine Bastelei«, erklärte Meister Beaujean und lachte dröhnend.
»Aha«, sagte ich.
»Ich weiß«, gab Beaujean zurück und trug einen Teil unseres Gelübdes vor: »Unerschöpflich sind die Leidenschaften, ich gelobe, sie ganz zu zerstören.« Er neigte sich mir vertraulich zu: »Glaub mir, meine Blechgesellen helfen mir beim Abtöten vieler anderer Passionen. Da sind sie wahre Killer.« Schließlich bat er mich mit einer vagen Handbewegung: »Setz dich.«
Ich konnte weder Stuhl noch Schemel entdecken, schob mit dem Fuß ein paar Trümmerteile zur Seite und setzte mich auf den Boden.
Beaujean wühlte in einem Haufen von scheppernden und klappernden Metallfetzen und förderte ein kleines, handflächengroßes Gerät zutage – eine Fernbedienung. Aber wofür?
»Du hast also nichts bemerkt?«
Wie durch eine Eingebung war mir mit einem Mal klar, was er meinte.
Mein Traum, der keiner war, in diesem Schlaf, der keiner war. Die Erschütterung von allem.
»Was ist geschehen?«
Meister Beaujean
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