Perry Rhodan Neo 006 - Die dunklen Zwillinge
auf der Suche nach dem einen Forschungsergebnis abmühte, das ihnen die Psi-Potenziale der Kinder erschloss.
»Natürlich. Was gibt es, Clifford?«
Er deutete auf den Besuchersessel, der vor seinem Schreibtisch stand. Monterny stellte sich neben ihm auf. Er zitterte. Vor Wut – und vor Angst.
»Ich will mit dir über Shanta Preston reden!«
Ivanhoe legte das Tablet zur Seite, setzte die Lesebrille darauf ab, die er seit einigen Monaten benötigte. »Ich hatte mich schon gewundert, wo du bleibst.«
»Du ...« Monterny brach ab. Er hatte sich eine Abrechnung ausgemalt, einen zerknirschten, schuldbewussten Freund. »Ihre Fußsohlen und Hände sind verbrannt!«, sagte er. »Was hast du mit ihr gemacht?«
»Genau das, was du denkst.« Ivanhoe sah ihm direkt in die Augen. »Ich habe meine Gabe genutzt.«
»Wie kannst du nur!«, brüllte Monterny. Er konnte nicht glauben, was er hörte. Wollte es nicht. Was war aus dem Mann geworden, der sein Leben riskiert hatte, um ein Kind zu retten, von dem er annehmen musste, dass es nicht zu retten war?
»Komm herunter, Clifford. Es gibt keinen Anlass, ein Drama aus dem Geschehen zu machen. Die Verbrennungen sind oberflächlich. Sie werden verheilen, ohne Spuren zu hinterlassen. Eine gewöhnliche Kindheitserfahrung. Nicht anders, als sich die Finger an einer heißen Herdplatte zu verbrennen.«
»Das war kein Unfall! Du hast sie verbrannt! Das darfst du nicht! Wir haben die Kinder hierher geholt. Wir sind für sie verantwortlich. Sie vertrauen uns, als wären wir ihre Eltern. Wenn wir ihr Vertrauen verraten, verraten wir alles, woran wir glauben!«
Ivanhoe musterte Monterny mit einem Blick, in dem Mitleid lag. »Ich fürchte, du bist nicht auf dem aktuellen Stand.«
»Dann bring mich dahin!«
»Gerne.« Ivanhoe lehnte sich zurück. »Kurz gesagt: Wir stecken in einer Sackgasse. Dein Einfall, begabte Kinder zu suchen, war ein Geniestreich. Aber sind wir ehrlich: Sind wir jetzt bedeutend weiter als vor ein paar Jahren? Nein. Wieso nicht? Weil uns deine Art des Vorgehens nicht weiterbringt.«
»Im Gegensatz zu deiner mittelalterlichen Methode?«
Ivanhoe ging auf die Spitze nicht ein. »Wir bewegen uns in den Grenzbereichen der Wissenschaft, in den Grenzbereichen des menschlichen Geistes. Es ist nur folgerichtig, mit Grenzerfahrungen zu arbeiten, um Durchbrüche zu erzielen.«
»Du redest von Folter! Wenn das der Preis ist, müssen wir Brain Drain eben einstellen.«
»Das dürfen wir nicht. Es wäre ein Verbrechen an der Menschheit.«
»Du ... du ...« Ivanhoe war verrückt geworden. Er hatte sich in seinen eigenen Konstrukten verirrt, hatte jeden moralischen Maßstab verloren. Aber wie konnte er nur ...? Monterny kam ein Gedanke. »Du weißt nicht, was du redest! Was würde dein Bruder Iwan sagen, wenn er jetzt hier wäre?«
Ivanhoe blinzelte mehrmals, dann fasste er sich wieder. »Es geht längst nicht mehr nur um Iwan, Clifford.«
»Um was dann?«
»Um das Schicksal der gesamten Menschheit.«
»Du bist verrückt geworden!«
»Nein, klüger.« Ivanhoe strich mit der Hand über das ausgeschaltete Tablet. »Ich beschäftige mich mit dem Wesen des Menschen. Und weißt du was, Clifford? Es genügt nicht. Technologisch sind wir so weit gekommen, dass frühere Generationen uns für Götter halten würden. Aber wir sind keine. Wir sind nur gewöhnliche Menschen, die von den Werkzeugen überfordert sind, die wir selbst geschaffen haben.« Er beugte sich vor, fixierte Monterny mit seinem Blick. »Denk nur an die Kriege, die wir führen! Wir Menschen spielen mit Dingen, die wir nicht beherrschen – und ziehen uns damit den Boden unter den Füßen weg!«
»Weshalb du dazu übergegangen bist, Kinder zu quälen, um die Welt zu retten?«
»Dein Zynismus ist fehl am Platz. Der menschliche Geist muss einen großen Sprung machen, um der Werkzeuge Herr zu werden, die wir selbst erschaffen haben. Und wenn ich zu diesem Zweck dem ein oder anderen Kind sorgfältig dosiert Schmerz zufügen muss, werde ich es tun. Es geht um das Überleben der Menschheit.«
Es war falsch. Monterny spürte es in seinem Magen, der ein Knoten war, in der Kehle, die kaum Luft passieren ließ, in seinem Kopf, der zu zerspringen drohte.
» Bitte, Ivanhoe«, flüsterte er. »Tu es nicht!«
»Ich tue, was ich tun muss. Und deine Suggestion kann mich davon nicht abbringen. Nichts und niemand auf dieser Welt kann mich davon abbringen.« Er legte den Stift ab. »Doch ich respektiere deine Meinung, Clifford.
Weitere Kostenlose Bücher