Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
Abschiedsschmerz, vermischt und vermengt mit Euphorie, einer Aufbruchsstimmung, einem entzündeten Reisefieber, dazwischen immer wieder das fanatische Verlangen, den eigenen Willen dem des Thort zu unterwerfen. Stolz auf die Wunden, wie sie nur die Treue schlug.
So voll die Straßen auch waren, die meisten Amburer schliefen zu dieser Zeit. Vielleicht hatten sie sich in der Hoffnung niedergelegt, am nächsten Tag in einer heileren Welt aufzuwachen, in der Gualls Räumungsbefehl sich als nächtlicher Alb entpuppte.
Der Thort wandte sich von den Amburern ab und öffnete die anderen Augen wieder. Ist es das wert?, überlegte er. Ohne die Wohltäter sähe es im Wega-System anders aus, keine Frage. Das Transmitternetzwerk würde nicht existieren, und infolgedessen könnte der Thort sich auch nicht seiner Allgegenwart rühmen, die so viel zu seinem Nimbus beitrug.
Merkwürdig übrigens, dass selbst in einer technisch so weit fortgeschrittenen Zivilisation so wenige auf die Idee kamen, Gualls scheinbar gleichzeitige Präsenz an diesem wie an jenem Ort könnte sich einem technischen Kniff verdanken. Einer Maschine, die, wenn auch Ferronen weit davon entfernt waren, sie anfertigen und beherrschen zu können, doch alles andere als undenkbar war.
Und von diesem Gedanken an eine andere, eher universale Technologie wäre es nur ein kleiner, logischer Schritt zu den Produzenten einer solchen Technologie.
Zum Gedanken an ein anderes Volk, das außerhalb des Wega-Systems existierte.
Aber solche Ideen waren den meisten Ferronen fremd, gerade so, als wären ihre Vorstellungen über die Galaxis immer noch in den Schranken der alten Mythen gefangen, in Schriften wie dem Götzenbeieinander, in dem die Sternenwelt jenseits der Wega als endlose Wüstenei besungen wurde.
Eigentlich abstrus – denn wer sollte die Macht haben, eine komplette Sterneninsel zu verheeren und in tote Ödnis zu verwandeln?
Guall war sich immer sicher gewesen, dass auch unter den anderen Sternen Leben möglich, ja wahrscheinlich sein musste. Guall hatte es gewusst, bevor es ihm von den Wohltätern bewiesen worden war.
»Autorisieren Sie den neuen Kurs?«, erkundigte sich der Autopilot in diesem Moment.
»Ja«, sagte Guall. Er dachte darüber nach, ob er den Piloten fragen sollte, wer die neuen Koordinaten übermittelt hatte und wohin dieser Kurs ihn führen würde.
Aber wozu? Er würde es ja erleben.
Seit Stunden hatte der Polykopter die große Ebene hinter sich gelassen. Hin und wieder hatte Guall mittels Bordradar überprüft, ob niemand der Tekpash folgte. Die Atmosphäre wurde schon in geringer Höhe dünn. Der Autopilot half, möglichst niedrige Pässe zu finden; nötigenfalls flog er Umwege.
Natürlich wäre es unerhört gewesen, sich der ausdrücklichen Anweisung des Thort zu widersetzen und ihn – und sei es zu seinem Besten – unter Bewachung zu stellen.
Dennoch war er sich sicher, dass es solche Bestrebungen gab, gerade im Militär. Und es war kein erwachender Verfolgungswahn, der Guall zu dieser Überzeugung brachte.
Jedenfalls nicht nur.
Guall schaltete die Scheinwerfer des Polykopters ein. Das starke Licht riss Einzelheiten aus der Finsternis. Das Land unter ihm war felsiger geworden, schroffer. Eine Weile lang folgte der Thort dem Lichtfinger. Keine Straße war zu sehen, keine Siedlung.
Guall hörte, wie mehr Helium in die Flugblasen an der Längsseite des Polykopters gepumpt wurde. Er richtete den Scheinwerfer in Flugrichtung. Die Flanke eines Gebirgszuges ragte steil vor ihm auf. Knochenbleicher Felsen. Kein Licht darin. Auch im Gebirge kein Hinweis auf ferronisches Leben.
Ambur, dachte Guall. Ambur. Ambur. Wenn man Worte oft genug sagte, verloren sie ihre Selbstverständlichkeit. Sie wurden zu rätselhaften Chiffren oder lösten sich in reiner Bedeutungslosigkeit auf. Was für eine eigenartige Welt der zehnte Planet war. Ein karger Ort, ohne jede Anziehungskraft auf die meisten Ferronen. Wertlos, wenigstens auf den ersten und auch auf den zweiten Blick. Natürlich gab es hier Bodenschätze, aber bei Weitem nicht so viel wie auf den üppiger damit ausgestatteten Himmelskörpern. Wenig Wasser; keine Meere. Leben war nur in den Niederungen möglich, in den tiefsten Canyons des Gebirges oder auf der Ebene von Karbush, der einzigen Region, die tief genug gelegen, flach und groß genug für eine bevölkerungsreiche Stadt war.
Ganz so, als hätte ein hilfreicher Geist und Baumeister diese Ebene angelegt, um dort eine Stadt zu
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