Perry Rhodan Neo 029 - Belinkhars Entscheidung
misslang.
Er klang wie eine alte Frau, mit krächzendem Alt, nichts war übrig von seinem satten Tenorton. Was geschieht hier nur mit mir, mit uns allen? Welchen verbotenen Zauber wirft der Mars über uns?
War die Farbe des Blutes nicht von ungefähr mit diesem Planeten verbunden? Bizarrerweise kam Aescunnar der Gedanke an eine ganz andere, alte Kultur, und über Hetcher schob sich für Sekunden ein Mensch – ebenso klein, mit schmutzigen Haaren, von altem, schwarz gewordenem Blut überkrustetem Gesicht, mit einem Obsidiandolch in der Hand ... Im Hintergrund erkannte er eine Stufenpyramide unter einem blauen Himmel.
Nein! Er schob den Gedanken fort. Wie kam er nur auf die Azteken? Hetcher war kein Aztekenpriester, der dem Land Blutopfer darbieten würde, um es fruchtbar zu machen. Wie hatten die Azteken es noch genannt? Edelsteinwasser. Das kostbarste Gut jedes Menschen und das einzige, das wie Regen fiel und wie Regen dem Land seine wertvollen Früchte entlocken würde.
War das der Mars?
Er spürte, wie die Panik ihn erstarren und seine Gedanken endlos im Kreis herumjagen ließ, schneller und immer schneller.
Nein!
Noch einmal stemmte er sich gegen die schreckliche Verzweiflung und diese dunkle Ahnung eines ungenannten Grauens, das hinter einem Riss in der Wirklichkeit lauerte und ihm manchmal nur ganz sachte mit rauchigen Tentakelarmen über das Gesicht fuhr. Er dachte an Pickmans Modell, eine Schauergeschichte, die er in seiner Jugend einmal gelesen hatte. Wie selbstverständlich purzelten der Name des Autors – Howard Philips Lovecraft –, biografische Angaben – gelebt um die Jahrhundertwende vor den großen Weltkriegen, verarmt gestorben wie so viele –, vage Eindrücke von Gemälden und Zeichnungen – von Fuseli, Doré, Sime, Angarola, Goya oder Clark Ashton Smith, alle Inspirationen für die Bilder Pickmans – und Details der Erzählung – Boston, der Brunnen, die Tiefe, die Kreaturen dort ... – in seinem Kopf herum.
Wenn Cyr Aescunnar grübelte, sich zu erinnern versuchte, war es allzu oft, als risse jemand mehrere Schubladen auf und einige davon so weit, dass der hineingestopfte, zusammengepresste Inhalt heraussprang und sich auf dem Boden zu einem chaotischen Stapel verwirrte. Vielleicht war das verantwortlich für seine Sprunghaftigkeit und Unkonzentriertheit, wenn etwas zu lange dauerte oder sich als nicht wichtig genug herausstellte, aber er hatte über die Jahre gelernt, dies zu beherrschen.
In diesem letzten Augenblick seines Lebens drängten solche alten Gewohnheiten wieder ans Licht wie Kistenteufel. Pickmans Modell ... Lovecraft ...
»Cyr? Erkennst du mich denn nicht wieder?«
Hetcher kam weiter auf ihn zu, und gerade als ihm einfiel, was ihn so verstörte an diesem vertrauten, im Grunde harmlosen Anblick, traf ihn ein Gedankenblitz voller Klarheit, aber auch so unerträglich grell, dass er alle anderen Gedanken verbarg: Es war nicht viel, nur ein Zitat eben jenes Schriftstellers, aber es passte so nahtlos in seine eigene Situation, dass ihm schwindlig wurde.
»Die älteste und stärkste Emotion des Menschen ist Furcht, und die älteste und stärkste Form der Furcht ist die Angst vor dem Unbekannten.«
Das war es, was ihn lähmte: das Unbekannte und seine eigenen Projektionen.
Gut!, dachte er entschlossen. Ich werde mich nicht von so etwas Primitivem wie einer Urangst beherrschen lassen.
»Hetcher!«, rief er und spürte, wie seine Altstimme wieder dem Tenor wich.
»Ja.«
Der Angesprochene in dem klobigen Raumanzug kam näher.
Hetcher strahlte über das ganze Gesicht.
»Es ist wie ein Wunder, dass ich dich gefunden habe«, sagte er.
In Cyr Aescunnars Gedanken flimmerten immer noch blinde Flecken von seinem Geistesblitz, der ihn ruhig gemacht und für diese Begegnung gewappnet hatte. Aber in seinem Magen war ein unangenehmes Ziehen ...
Aescunnar ignorierte es. Die Angst durfte nicht gewinnen. Er nickte und breitete grüßend die Arme aus. »Ich war selten so froh, dich zu sehen. Dich ganz allein.«
Er wandte prüfend den Blick.
»Keine Sorge«, sagte Hetcher hastig. »Ich bin allein. Ich habe erkannt, dass ... dass das alles ein riesengroßer Fehler war. Tweel hätte überhaupt nicht ...«
Er schwieg, und in diesem Moment fühlte Aescunnar etwas Vertrautes zwischen ihnen beiden, durch das die letzten Sekunden zugleich unsagbar fremd erschienen.
Er ließ die Arme sinken.
»Was ist mit Tweel?«, fragte er scharf.
Er spürte, dass dies die falsche Frage war,
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