Perry Rhodan Neo 030 - Hort der Weisen
Abbruchs erinnerte an das grausige Geschehen.
»Siehst du?«, fragte der Topsider ungerührt, als hätte sich der Unfall nie ereignet. »Wir lernen in jeder Sekunde. Die beiden ...«
»Sie sind tot!«, rief Manoli entsetzt.
»Sie haben sich nicht durchgesetzt. Dies ist der Alltag.«
»Du wärst ebenfalls tot, wenn ich dich nicht zufällig angesprochen hätte. Nur deswegen bist du nicht auch zermalmt worden!« In seiner Erregung bemerkte Manoli zu spät, dass er sich der informellen Anrede bediente.
Dem Topsider schien weder das noch der Tod der beiden Troghadim zu kümmern. Er lachte. »Zufall? Es war Karr-Tork, Erikk-Mahnoli! Alle Ereignisse führen stets an das Ziel, das ohnehin vorhergesehen ist.«
»Wer bist du, dass du so reden kannst?«
Statt einer Antwort entblößte der andere seinen Bauchraum. Ein Loch klaffte darin, gestützt von einem bizarren Geflecht aus Stäben und Fäden. Offenbar war ihm ein faustgroßes Stück Fleisch aus dem Leib gerissen worden. Genaueres konnte Manoli nicht erkennen, ehe der Topsider das Kleidungsstück wieder senkte.
»Du bist kein Schüler«, sagte Manoli leise, »sondern ein Trogh ...«
»Lerne, Erikk-Mahnoli.«
»Wusstest du, was geschehen wird? Und wenn ja, warum hast du die beiden nicht gewarnt?«
»Ich vermag nicht in die Zukunft zu sehen. Aber ich vertraue.« Der Topsider wandte sich ab.
Manoli kehrte zurück und fand ihre Hütte – wenn man sie überhaupt so nennen konnte – leer vor. Khatleen-Tarr und Gihl-Khuan waren unterwegs.
Er kauerte sich in eine Ecke, packte eine Decke und schaute über den Abbruch hinaus in die Weite. Er fand keine Ruhe, die Bilder vor seinem geistigen Auge verschwanden nicht. Zu viel hatte er erlebt. Zu viel Tod gesehen. Manoli wollte abschalten, aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken jagten einander, Adrenalin peitschte immer noch durch die Adern.
Dennoch saß er mindestens eine Stunde lang reglos gegen die Wand gelehnt und versuchte, sich zu entspannen. Niemand kam in dieser Zeit in die Hütte, niemand sprach ihn an oder stellte ihm eine Aufgabe.
Irgendwann sah er ein, dass er etwas tun musste. Irgendetwas. Er verließ die Hütte, ging zurück zur ersten Plattform. Er wollte Erde fühlen. Wollte vergessen, dass er sich in einem bizarren, zerbrechlichen Gebilde befand, das sich in eine Felswand krallte und seinen Bewohnern Tod und Verderben brachte.
Und Weisheit, wenn man den Trogh Glauben schenkte.
Keiner hielt ihn auf. Nur in der Ferne, auf anderen Ebenen des Horts, entdeckte er Echsen, die ihn jedoch nicht beachteten. Am Rand der Mulde, aus der die Lianen wuchsen, setzte er sich und ließ die Erde zwischen seinen Fingern hindurchrieseln. Sie fühlte sich feucht und kalt an. Und real.
Nachdenklich musterte er die Lianen, die unterschenkeldick aus der Erde ragten, über der Kante abknickten und in der Tiefe verschwanden; wenn Manoli an ihnen entlangschaute, entwanden sich die seilartigen Gebilde Dutzende oder Hunderte Meter weiter unten seinem Blick.
Er berührte sie dicht über der kalten Erde. Sie fühlten sich wärmer an als seine eigene Haut. Vielleicht waren sie nicht nur Pflanzen und lebten auf eine eher tierische Art und Weise. Und pulsierten sie nicht unter seiner Berührung? Zuckten sie nicht ein wenig zur Seite, als wollten sie mit ihren Wurzeln durch das Erdreich wühlen, um ihm zu entkommen?
Ein unbehaglicher Schauer rann ihm über den Rücken, wenn er damit den Greifarm eines gigantischen Meeresgeschöpfs assoziierte.
Der Wind zerrte gleichermaßen an seinem Körper wie an seinen Nerven. Hörte er denn nie auf, ebenso wenig wie der ständige Nieselregen? Gab es keine Momente der Ruhe im Hort?
Eine Zeit lang starrte er ins Leere, bis er Gihl-Khuan entdeckte. Khatleen-Tarr war nicht bei ihm, und er schien sich mit erschreckender Selbstverständlichkeit unter die Troghadim gemischt zu haben. Er redete mit zwei Topsidern, während er mit ihnen Bretter zu einer Art Hochbeet aufstapelte und vernagelte. Andere Schüler schleppten Erde heran.
Die Arbeiten geschahen unter der Aufsicht eines Topsiders, der abseits auf einer improvisierten Bank saß. Seine rechte Gesichtshälfte war sogar aus der Ferne deutlich sichtbar verbrannt; das Gebiet rund um die Gehöröffnung war nichts als ein verkohltes Etwas. Ein Trogh, ein Weiser, ohne Zweifel. Manoli fragte sich, wieso sie alle verstümmelt waren. Galt für sie alle, was Thersa-Khrur gesagt hatte? Dass sie erst durch ihre Verstümmelung Erkenntnis erlangt
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