Perry Rhodan Neo 7: Flucht aus Terrania (German Edition)
keinen Schritt außerhalb des Zeltes tun, ohne dass das Kameraauge es sah. Jedes Gespräch unter vier Augen wurde auf diese Weise zur Verschwörung, jeder Aufenthalt hinter einem Gebüsch zum tödlichen Angriff auf Politiker und Parteibonzen. Und wenn er Shoubi Man aus dem Weg räumen ließ, machte er erst recht auf sich aufmerksam.
Bai Jun sah ein, dass er mehr riskieren musste, wenn er seinen Plan umsetzen wollte.
Er gab dem Offizier einen speziellen Auftrag. Dieser schickte vier Soldaten aus, die er für besonders vertrauenswürdig hielt. Sie sollten Shoubi Man die ganze Zeit ablenken. Das Ziel war, ihn durch auffälliges Verhalten zu den wichtigsten Plätzen der Stadt zu locken. Fehlinformationen konnten ihn verwirren.
»Die gesamte Staatsführung ist gelandet«, drang die Meldung aus dem Funkgerät. »Die sind bald hier.«
Bai Jun ging zu Fuß zum Lager und besuchte Hauptmann Liu Chang, einen Kameraden, den er von der Militärakademie her kannte. Ein intensiver Blick, ein heftiges Nicken, und schon stand der General wieder im Freien und setzte seinen Weg fort. Ein letzter Check bei der Nachschubkompanie, ein kurzes Gespräch mit den Offizieren, die sich um den reibungslosen Ablauf der Vorbereitungen kümmerten, dann ging er schon wieder hinauf zu seinem Zelt.
Bai Jun war allein. Alle Angehörigen seines Stabes und die Offiziere befanden sich im Einsatz. Ihm oblag die Aufgabe, die er am allerwenigsten mochte: der Empfang der Mächtigen aus der Partei. Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich um altgediente Parteibonzen, die dem Generalsekretär nach dem Mund redeten und vermutlich noch nie in ihrem Leben eine eigene Meinung gehabt hatten.
Ein Hupen lenkte ihn ab. Dutzende von Nachschubfahrzeugen waren auf dem Weg in die Stadt. Die Soldaten bereiteten das Festbankett im Anschluss an die Siegesfeier vor.
Bai Jun ging nach wie vor davon aus, dass er beobachtet wurde – aus einem winzigen Glasauge mit einem verdammt starken Zoom. Deshalb ruhte sein Blick nur kurz auf der Kolonne, wanderte dann zur Armbanduhr und von dort nach Süden, wo irgendwann die Fahrzeuge mit den Parteileuten auftauchen mussten.
Der Konvoi der Nachschubsoldaten war vollständig. In einem der Kleinbusse steckten hinter einer doppelten Wand John Marshall und Anne Sloane. Bis zum Beginn der Feier würden Bai Juns Helfer sie so nahe wie möglich an den Festplatz im Zentrum heranbringen, unauffällig in einem der Versorgungsschränke. Dort würden die beiden Mutanten auf sein Zeichen warten.
Wieder setzte Bai Jun den Feldstecher an, diesmal nahm er sich die Gebäude am Stadtrand vor. Er beobachtete Fenster, suchte nach Schatten und Menschen, die sich hinter den Scheiben bewegten. Er fand nichts. Und in den Straßenschluchten bewegten sich außer ein paar Hundert Rhodan-Anhängern derzeit keine Soldaten.
Der General setzte den Feldstecher ab. Shoubi Man war irgendwo, das spürte er. Er kehrte ins Zelt zurück, auf einmal stand er dem Mann mit dem Glasauge gegenüber. Der starre Blick des linken Auges besaß etwas Unheimliches. So schnell, wie Bai Jun die Pistole zog, konnte nicht einmal die eingebaute Kamera schauen.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, fuhr der General ihn an.
Der andere grinste nur. »Seien Sie Ihrer Sache nicht zu sicher, Genosse General. Ich soll Sie immer im Auge behalten.«
»Alles, was ich unternehme, wird täglich mit dem Oberkommando abgestimmt. – Hinaus mit Ihnen!« Bai Jun hob die Waffe. »Ich werde im Zweifelsfall behaupten, dass Sie mich angegriffen haben oder dass ich Sie für einen verrückten Rhodan-Anhänger halte.«
Der Mann mit dem Glasauge starrte ihn an. Er schien die Entschlossenheit in Bai Juns Miene zu glauben; ohne ein weiteres Wort drehte er sich zur Seite und verließ das Zelt durch den schmalen Personaleingang.
Bai Jun steckte die Pistole wieder ein. Das war wohl nicht die letzte Begegnung mit diesem Schnüffler.
Ein Meldeläufer aus dem Stadtzentrum traf ein. »Der Generalsekretär telefoniert pausenlos«, berichtete er atemlos. »Er scheint mit irgendetwas unzufrieden.«
»Er hat derzeit zu wenig Kontrolle über die Vorgänge«, sagte Bai Jun. »Das macht ihn nervös. In wenigen Minuten trifft dieser Shoubi Man bei ihm ein. Das wird seine Unrast verstärken.«
In fast jeder Situation gibt es einen Zeitpunkt, an dem man nicht mehr zurückkann. Das gehört zur menschlichen Psyche.
Bai Jun hoffte auf John Marshall und Anne Sloane, aber auch auf Rod Nyssen und Darja Morosowa.
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