Perry und das unheimliche Haus von Hackston
Hier im Mittelteil des Hauses ist es. Ganz oben unterm Dach. Bitte, Mister Melvin, wäre es möglich, daß ich von dort aus ein paar Aufnahmen machen könnte?“
„Was wollen Sie denn fotografieren?“ Melvins Mißtrauen war nicht zu überhören.
„Die Landschaft. Ich brauche sie als großen Hintergrund für eine Bildstory über Hackston!“
„Hm, meinetwegen.“ Joe Melvin griff zum Telefon und sagte dann: „Schicken Sie Mister Bell zu mir!“
Clifton deutete eine Verbeugung an und tönte: „Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Mister Melvin.“
Der winkte ab. „Was soll denn das für eine Bildstory werden?“
„Oh, nichts Aufregendes. Eine Sache, die in Bildern die Geschichte Hackstons zeigt. Haben Sie gewußt, Mister Melvin, daß der große Shakespeare in Hackston übernachtet hat?“
Das „Frettchen“ schüttelte den Kopf und erkundigte sich: „Sind Sie aus Hackston?“
„Nein, nein, ich komme aus der Gegend von Manchester. Aber diese Art von Bildgeschichten habe ich schon in Bomershill, in Clarencetown und in St. Pappers gemacht. Kennen Sie St. Pappers, Mister Melvin?“
„Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen.“ Er sah ungeduldig zur Tür.
„Es ist ein winziger Ort in der Nähe von Leicester. Aber was für ein Ort!“ Perry Clifton rollte mit den Augen und streckte theatralisch die Hand in die Höhe. „Ein Ort mit tausendjähriger Geschichte. Da ist jeder Stein ein...“
Es klopfte.
„Herein!“ rief Melvin rasch und erleichtert. Ein untersetzter, mürrisch dreinschauender Mann schob sich ins Zimmer. Er steckte in einem grauen Overall. Er blieb an der Tür stehen und musterte Perry Clifton mit zusammengekniffenen Augen, so wie es Kurzsichtige tun, wenn sie etwas erkennen wollen.
„Charly, das ist Mister Arling, ein Fotograf. Er möchte gern ein paar Aufnahmen vom Rundfenster des obersten Speichers machen... Am besten, Sie gehen gleich durch die Werkstätten. Das ist der kürzeste Weg!“
Der mit „Charly“ Angesprochene verzog keine Miene, er sagte nur mit heiserer Stimme: „Ist gut!“ Und zu Perry: „Bitte, Sir!“
Daß Melvin jenem Charly mit den Augen und einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung etwas signalisiert hatte, war Perry Clifton nicht entgangen, und er beschloß, auf der Hut zu sein.
Jack Mason trat, nachdem Charly mit Clifton den Raum verlassen hatte, aus dem Nachbarzimmer, dessen Tür nur angelehnt gewesen war, in den Büroraum zurück. Und zwar deutlich unzufrieden.
Joe Melvin sah ihm mit zwiespältigen Gefühlen entgegen. „Na, Jack, hast du alles mitgekriegt?“
„Hab’ ich!“
„War ich freundlich genug?“
„Wie eine Giftnatter. Dein Benehmen war das eines Besenstiels!“
Melvin runzelte ärgerlich die Stirn, während er nach der fünfzehnten oder sechzehnten Zigarette griff. „Seit wann hat ein Besenstiel Benehmen?“
„Eben!“ sagte Mason lakonisch und dann voller Spott: „Da bist du nun seit zwei Jahren in Hackston und weißt nicht mal, daß Shakespeare hier übernachtet hat.“
„Wußtest du es?“ giftete der Hagere.
„Wohne ich hier? Was hältst du von diesem Fotografen?“
Melvin machte eine geringschätzige Handbewegung und ließ die Mundwinkel hängen. „Ein armer harmloser Trottel mit einem Fotografiertick.“
Jack Mason sah an Melvin vorbei und strich sich gedankenverloren mit den Handschuhen über das Kinn.
„Ich weiß nicht, Joe. Ich hatte fast den Eindruck, als wollte uns dieser Arling hier eine Figur Vorspielen, die er in Wirklichkeit gar nicht ist. Mir jedenfalls kam er nicht wie ein harmloser Trottel vor. Hoffentlich führt ihn Charly nicht durch das obere Lager.“
„Nein, nein, er weiß schon Bescheid!“ beteuerte Joe Melvin.
Perry Clifton folgte Bell wie ein Schatten. Nachdem sie Melvins Zimmer verlassen hatten, ging es über eine Diele zu einer aufwärtsführenden Holztreppe. Nach genau zweiundvierzig fürchterlich knarrenden Stufen standen sie vor einer eisernen Tür. Charly Bell drückte sie auf, und die beiden Männer befanden sich in einem weitläufigen, saalähnlichen Raum. Es roch nach Farbe, Lack und Terpentin. Aus einem uralten Kasten von Radio tönte Musik.
Acht ältere Männer („Warum nicht auch Frauen?“ überlegte Clifton) waren damit beschäftigt, hölzerne Geigenkörper mit leuchtender Farbe zu bestreichen. Für einen Augenblick ließen sie die Pinsel sinken und musterten neugierig die Ankömmlinge.
Während Charly wortlos, ohne die Männer eines Blickes zu würdigen, den Saal
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