Perry und das unheimliche Haus von Hackston
Ausrüstung manchen Berufsfotografen hätte vor Neid erblassen lassen können. Da fehlte rein gar nichts. Allein die Menge an Fotopapieren in allen Größen und mit allen Oberflächen füllte einen großen Schrank.
Anschließend mußte sich Perry eine Stunde lang Fotos ansehen. Darunter Fotos von Tieren in Bewegung, die so gestochen scharf waren, als hätten sie in der Luft Modell gestanden. Der Detektiv war ehrlich begeistert.
„Tiere liegen mir“, meinte Holman, dem Cliftons Lob schmeichelte. „Ich habe eine Serie Insektenfotos an einen Verlag in Schweden geschickt. ‚Overgard’ heißt der Verlag, er bringt hauptsächlich Tierbücher heraus. Kennen Sie ihn?“
„Nein.“
„Bei Porträts habe ich keine so gute Hand. Ich weiß auch nicht, woran das liegt. Und Sie, Mister Arling?“
Perry Clifton winkte ab. „Ich bin mehr für die Natur. Für Porträts muß man wohl eine besondere Begabung haben. Man sagt ja, je häßlicher ein Modell, um so leichter die Aufnahme...“ Holman lachte. „Wer will sich schon immer mit häßlichen Menschen umgeben.“
Clifton darauf in einem besonders unverfänglichen Ton: „Dieser Hausmeister aus dem Brockton-Haus...“
„Sie meinen Mister Bell!“ warf Holman ein, und Perry nickte. „Der müßte auch ein gutes Bild abgeben, wenn es gelänge, seine Mürrischkeit mit aufs Bild zu bringen.“ Wieder lachte Holman. „Der läßt sich nicht fotografieren. Er sei nicht fotogen, sagte er immer. Dabei ist sein Chef, dieser Mister Melvin, noch um eine Spur unansehnlicher.“
„Da haben Sie recht.“
So unterhielten sie sich noch eine ganze Weile, tranken Tee und betrachteten Fotos. Perry Clifton war dabei emsig bemüht, die Unterhaltung nicht auf die Ebene zu großer Fachsimpelei kommen zu lassen, denn dann wäre bald ruchbar geworden, daß sein Wissen um die Lichtbildnerei sehr begrenzt war. Einmal, es war gegen 16 Uhr, glaubte er ein Geräusch aus dem angrenzenden Labor zu hören. Das fiel ihm deshalb auf, weil ihm Holman erklärt hatte, zur Zeit allein im Haus zu sein. Seine Schwester, die ihm sonst den Haushalt führe, sei für drei Monate nach Italien gereist. Aber es konnte natürlich auch eine akustische Täuschung gewesen sein.
Um 16 Uhr 20 verließ Perry das rote Ziegelhaus Holmans.
Im Gasthof traf er nur Mrs. Bradley an. Er bezahlte seine Rechnung und bat sie, ihrem Mann auszurichten, daß er lange nicht mehr so gut gegessen habe. Diana Bradley bedankte sich ein wenig gezwungen. Man merkte ihr deutlich an, daß sie das Rätsel des Vorabends noch nicht gelöst hatte.
Um 17 Uhr bestieg Perry Clifton den Omnibus nach Leicester, der auch genau nach Fahrplan um 17 Uhr 58 dort eintraf. Sorgfältig begann er dann mit den Vorbereitungen für sein ungesetzliches Unternehmen.
Punkt 21 Uhr startete er, diesmal mit seinem eigenen Wagen, in Richtung Hackston.
Charly Webster saß neben dem Fenster und sah in den schwach erleuchteten Hof hinab. Die Lampe auf der Mauer neben der Toreinfahrt erhellte auch noch einen Teil der Straße.
Im Hintergrund des dunklen Zimmers hockte Joe Melvin in einem alten Ledersessel und rauchte. Bei jedem Zug wurde sein Gesicht von einem rötlichen Schein überzogen.
„Wie spät ist es?“ wollte er wissen.
„Gleich zehn!“ erwiderte Charly feindselig und gereizt nach einem Blick auf seine Armbanduhr. „Bist du sicher, daß überall das Licht aus ist?“
„Das fragst du jetzt schon zum dritten Mal. Hältst du mich für schwachsinnig?“
Melvin sagte nichts, doch sein Schnaufen verriet seine Gedanken. „Ob du mich für schwachsinnig hältst, habe ich gefragt, Melvin!?“ wiederholte Webster aggressiv. Seine heisere Stimme überschlug sich fast.
„Wenn du es genau wissen willst: Seit gestern bin ich mir nicht mehr sicher. Außerdem wäre es besser, nicht so zu schreien.“
„Ach, was du nicht sagst!“ giftete Charly Webster.
„Ja, sag’ ich.“
„London hat über acht Millionen Einwohner. Wie soll ich da ahnen, daß dieser Clifton ausgerechnet Jack Mason über den Weg läuft.“
„Trotzdem war es idiotisch, den Mann niederzuschlagen.“
„Es gab keine andere Möglichkeit. Der Lehrer war zu dämlich. Der hat nur seine Fotografiererei im Kopf.“
„Jack Mason meinte...“
Charly unterbrach bissig: „Es interessiert mich einen Dreck, was Mason meint.“
„Immerhin bezahlt er dich!“
„Er wird selbst bezahlt!“
„Er will dich beim Chef verpfeifen.“
„Wenn er klug ist, läßt er’s bleiben.“ In Websters
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