Perry und das unheimliche Haus von Hackston
schwang sie zurück, und ebenfalls geräuschlos klinkte Perry sie hinter sich zu. Erst dann bediente er sich der mitgebrachten Stablampe, in deren Lichtschein sich ihm ein ungewöhnlicher Anblick bot: Stühle, Tische, Kisten, eine Unmenge von Blecheimern und Farbtöpfen, dazu Balken und Bretter waren zu einer über vier Meter hohen Riesenpyramide zusammengestellt worden und verbauten ihm den Weg ins Innere des Raumes. Perry Cliftons Verblüffung war so groß, daß er darüber vergaß, den Boden abzuleuchten. Sicher wären ihm dann die feinen Drähte aufgefallen, die nur wenige Zentimeter über dem Fußboden kreuz und quer verspannt waren. Als er einen Schritt zur Seite machte, um an dem Hindernis vorbeileuchten zu können, geschah es. Zuerst war es nur ein Knistern und Schaben, doch dann setzte sich der Gerümpelberg donnernd in Bewegung.
Beim Zurückspringen blieb er mit dem rechten Fuß in einem der Drähte hängen und stürzte der Länge nach hin. Ein ganzes Arsenal von Kisten aller Größen prasselte auf ihn herab. Gleichzeitig begannen drei Alarmsirenen in seiner unmittelbaren Nähe zu heulen.
„Nur nicht die Nerven verlieren“, durchfuhr es den Detektiv, während er zerschrammt unter dem Kistenstapel hervorkroch. Ohne auf Geräuschvermeidung zu achten, riß er die Tür auf, überquerte den Hof, erklomm die Strickleiter, montierte sie ab und warf sie auf der anderen Seite hinunter. Er selbst sprang hinterher. Die Sirenen heulten noch immer, mehrere Fenster des Südflügels waren plötzlich erhellt, und deutlich konnte er die aufgeregten Stimmen von Joe Melvin und Charly Webster hören.
Er schlug einen großen Bogen und erreichte um 22 Uhr 55 seinen Wagen. Fünf Minuten später fuhr er bereits in Richtung London. Nachdenklich, unzufrieden und — mißtrauisch.
Gejagt und gehetzt
Soho, Ecke Hatfield-Capstreet.
Es war zwanzig Minuten nach Mitternacht. Seit fast zwei Stunden stand der Mann im Schatten eines defekten, unbeleuchteten Telefonhäuschens und starrte mit müden Augen hinüber zu einem kleinen, schäbigen Haus, das von anderen — wenn auch größeren, doch nicht weniger schäbigen — Häusern umgeben war.
Alle Fenster des kleinen Hauses waren dunkel. Daß die schmutzige, pittoreske Fassade trotzdem beleuchtet wurde, lag an der Straßenlaterne, an einer Leuchtreklame für Whisky und an dem Licht ,, das durch zwei große Scheiben eines Fischrestaurants fiel.
Gesang drang auf die Straße. Laut und falsch sang eine Männerstimme ein irisches Volkslied. Aus einem anderen offenen Fenster erklang jetzt Radiomusik, nachdem es eben noch die Mitternachtsnachrichten der BBC waren.
Immer wenn Passanten kamen, drückte sich der Mann in die Nische zwischen Telefonzelle und Hauswand. Es roch nach Moder, feuchtem Mörtel und Unrat, und es ekelte ihn.
Manchmal war es auch der Geruch von gebackenem Fisch, der aus dem Restaurant gleich einem unsichtbaren Lockvogel herüberzog.
Endlich, es war fast 1 Uhr, kam Bewegung in die wartende Gestalt. Im ersten Stock des kleinen Hauses war hinter einem Fenster Licht aufgeflammt. Die Konturen eines vom Licht gespenstisch vergrößerten Schattens näherten sich, ständig schärfer werdend, dem Fenster. Ein Rollo wurde heruntergelassen.
Mit hastigen Schritten, sich dabei nach allen Seiten umsehend, überquerte der Mann die schmale Gasse. Vergebens suchte er nach dem Klingelknopf.
Er klopfte! Zuerst leise, dann lauter, drängender. Zweimal, dreimal... Das Rollo schnappte rasselnd hoch, ein Fensterflügel wurde aufgestoßen.
„Was ist los?“ fragte eine fette, mürrische Stimme.
„Ich bin’s, Paul... der Franzose!“
Zwei Minuten verstrichen, dann ertönten schlappende Schritte, ein Schlüssel drehte sich im Schloß, und knarrend öffnete sich die Tür.
„Tatsächlich, François Mellier“, sagte der mit der fetten Stimme, nachdem er seinen Besucher erkannt hatte. Der Franzose drückte den anderen zur Seite und schlüpfte rasch in den Hausflur, der nur von einem Notlicht erhellt wurde und in dem es muffig roch. Während sie die ächzenden Stufen hinaufstiegen, sagte der späte Besucher mit müder und gehetzter Stimme: „Ich warte schon über zwei Stunden auf dich, Paul. Du bist nicht durch diese Haustür gekommen... oder habe ich geschlafen?“
„Ich gehe immer durch die Hintertür. Man weiß nie, wozu es gut ist.“
Dann standen sie sich gegenüber in dem schmuddligen Wohnraum. Sie waren beide gleich groß, nur daß Paul Bromley fett und schwammig und der
Weitere Kostenlose Bücher