Perry und das unheimliche Haus von Hackston
ruhig. Gefährlich ruhig, wie Melvin fröstelnd feststellte. „Ich werde nicht umhin können, den Chef über diese Eigenmächtigkeit zu informieren. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß wir es uns leisten können, die Arbeit von Jahren durch diesen Kretin zu gefährden. Hat er ihm wenigsten die Brieftasche abgenommen?“
„Nein, da kannst du unbesorgt sein!“ versicherte Melvin eifrig und mit Nachdruck und wußte im gleichen Augenblick, daß er eine Riesendummheit zugegeben hatte. Und Mason höhnte auch sofort voller Ingrimm: „Unbesorgt sein, unbesorgt sein. Konnte er sich nicht denken, daß das erst recht verdächtig ist, wenn nichts gestohlen wird. Schon bei einem gestohlenen Pfund hätte man einen Tramp erfinden können. Aber so... Es ist ein wahres Wunder, daß wir bei dieser Qualität von Mitarbeitern noch nicht aufgeflogen sind. Was hat er denn herausgefunden, dieser Trottel?“
„Nur das, was wir ohnehin schon wußten: daß sein Paß nicht auf Arling, sondern Clifton lautet. “ Melvin schob sich mit zitternden Fingern eine neue Zigarette zwischen die Lippen und verfluchte einmal mehr seinen Entschluß, sich in diese Sache eingelassen zu haben.
„Hör zu, was der Schnüffler berichtet hat.“ Melvin hörte Papier durchs Telefon rascheln, dann wieder Masons Stimme. Sachlich, nicht mehr ganz so eisig: „Ich lese dir ein paar Punkte aus den Aufzeichnungen vor. Er ist zweiunddreißig Jahre alt und wohnt seit dreizehn Jahren in Norwood und ist unverheiratet. (Pause, Papierrascheln.) Hat einige Jahre in Deutschland gelebt, in Berlin, angelt gern und arbeitet seit elf Jahren bei Johnson & Johnson. Das ist das Riesenkaufhaus in der Sutherland-Street.“
„Ich kenn’ es!“
„Und weißt du, als was er dort arbeitet?“
„Als Fotograf wahrscheinlich, oder?“
„Mehr oder... Er ist Hausdetektiv!“
„Hausdetektiv?“ Melvin spürte wieder den typischen Angstkloß hinter seinem Adamsapfel. „Was jetzt, Jack?“
„Ja, was jetzt. Zunächst stellt sich die Frage: Was hat ein Kaufhausdetektiv mit uns zu tun? Sollte er ja eine private Spur verfolgen, wie konnte die ihn nach Hackston führen? Verdammt, Joe, das ist eine ganz wichtige Frage.“
„Hat der bezahlte Schnüffler nicht mehr rausgebracht?“
„Nein. Er hat zwar vier Seiten vollgeschrieben, aber mich interessiert weder, daß er gelegentlich Pfeife raucht und kaum Alkohol trinkt, noch daß er anscheinend keine näheren Angehörigen besitzt. Das einzige, was von Bedeutung in diesem Bericht ist, nun, das ist eben sein Beruf.“
Für einen Augenblick schwiegen beide, dann erkundigte sich Melvin: „Hast du dem Chef schon was gesagt? Oder ist er schon wieder unterwegs?“
„Ich hab’ heute kurz mit ihm sprechen können, und er meint, daß es am besten sei, abzuwarten und nichts zu überstürzen. Sollte sich Clifton wirklich für unsere Musikinstrumente näher interessieren, dann sei damit zu rechnen, daß er einen nächtlichen Besuch einplane.“
„Einen... nächtlichen Besuch?“
„Ja, uns zwar vielleicht schon heute nacht oder morgen nacht . So genau könne man das bei neugierigen Leuten nie vorherbestimmen, meint der Chef.“
„Und was dann?“ Melvins Kloß im Hals hatte inzwischen die Größe eines Kürbisses angenommen.
„Er meint, du solltest alles zum Empfang vorbereiten. Jeder brave Untertan Ihrer Majestät der Königin habe das Recht, sein Eigentum zu schützen, meint der Chef.“
„Okay, Jack“, würgte Melvin hervor. „Aber es bleibt uns ja schließlich immer noch die Hoffnung.“
„Wirst du philosophisch? Oder was meinst du mit Hoffnung?“
„Daß alles ein Irrtum ist. Daß dieser Clifton plausible Gründe hatte, uns bei seiner Fotografiererei nicht seinen wirklichen Namen zu nennen. Vielleicht besteht gar keine Gefahr, und wir haben uns selbst ins Bockshorn gejagt.“
Pause.
Dann: „Ja, Joe Melvin, diese Hoffnung bleibt uns!“
Das Knacken in der Leitung verriet, daß Mason wieder einmal aufgelegt hatte, ohne jeden Gruß.
Melvin ließ den Hörer fallen, als sei er plötzlich heiß.
Dann besann er sich eines anderen. Er nahm den Hörer erneut auf, und als sich Miß Jennifer meldete, bellte er in die Muschel: „Treiben Sie Mister Bell auf. Er soll sofort zu mir kommen!“
„Ja, Sir!“ erwiderte das eingeschüchterte Mädchen, ohne zu ahnen, wie weit Melvin von einem Sir entfernt war.
Ein nächtlicher Spuk
Rodney Holman hatte Perry Clifton zuerst in sein Fotolabor geführt, das in Größe und
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