Perry und das unheimliche Haus von Hackston
keiner.
Nicht Webster,
nicht Melvin und
nicht einmal der alte Mann selbst.
21 Uhr 35, Ereignis Nr. 3: Warum Arthur Jaggers die Polizei rief
Jahrelang hatte Arthur Jaggers im King James Hotel gearbeitet. Zuerst als Aushilfskellner, später als Abendkellner und zuletzt über ein Jahr in der Bar. Da Arthur zu dieser Zeit unverheiratet war und sehr bescheiden lebte, konnte er eine Menge Geld sparen. Als er dann Elaine Parker kennenlernte und heiratete — sie war als Zuschneiderin bei Fish & Langfield beschäftigt — , sah er nur noch ein Ziel vor Augen: ein eigenes kleines Hotel. Es mußte nicht groß sein. Zehn bis fünfzehn Zimmer für den Anfang wären ihm gerade recht gewesen.
Vier Jahre arbeiteten Elaine und Arthur, was das Zeug hielt. Letzterer hatte es sogar zum „Chief“ der Etagenkellner gebracht, eine Position, die es im King James erst seit kurzem gab.
Und dann kam der Tag, an dem sie im Daily Mirror jene Anzeige lasen, in der für das Hotel Little Star im Stadtteil Lambeth ein Käufer gesucht wurde. Sie fuhren sofort hin. Es handelte sich um ein kleines Haus mit neunzehn Zimmern und allem, was dazugehörte. Doch Arthurs Begeisterung erfuhr einen schmerzhaften Dämpfer, als er den Preis hörte. Das Hotel kostete genau zehntausend Pfund mehr, als er aufzubringen imstande war. Und der greise Mister Hazelwood ließ nicht mit sich handeln. Nicht einen Penny wollte er vom Preis heruntergehen.
Tage vergingen, und Arthur Jaggers war nicht anzusprechen. Weder Elaine vermochte ihn aufzuheitern noch seine sonst so heißgeliebten Windhundrennen.
Mit einem Wort: Das Hotel Little Star war für ihn zu einer fixen Idee geworden. Er schlief kaum noch und rechnete im Geist zum tausendsten Mal die Möglichkeiten durch. Jeden Tag rief er Mister Hazelwood an und erkundigte sich, ob das Haus schon verkauft sei. Und er fühlte unglaubliche Erleichterung, wenn Mister Hazelwood „nein“ sagte.
Er lief von Bank zu Bank und erkundigte sich nach Krediten, doch es war alles umsonst. Arthur Jaggers war kaum noch eines vernünftigen Gedankens fähig.
Und da geschah es.
Er verwechselte die Zimmernummern und betrat eines Abends statt des Appartements 21 B der Lady S. das Appartement 22 B, in dem ein libanesischer Kaufmann namens Sabai Tamate logierte. Ein reicher Mann aus Beirut, der sich besonders durch großzügige Trinkgelder beliebt gemacht hatte.
Dem Trällern und dem Wasserrauschen nach zu urteilen, saß der arabische Kaufmann ohne Zweifel in der Badewanne. Arthur wollte sich schon zurückziehen, als sein Blick auf den kleinen marmornen Rauchtisch vor dem Kamin fiel.
Er spürte, wie sein Mund trocken und seine Hände feucht wurden. Mit abgehackten Bewegungen, ähnlich denen einer Marionette, näherte er sich dem Tisch.
Der dicke Smyrnateppich schluckte jeden Schritt.
Der Mann in der Badewanne trällerte noch immer eine orientalische Weise.
Auf der Platte aus rotem Marmor lagen mehrere Ringe mit hochkarätigen Brillanten, und aus der scheinbar achtlos hingeworfenen Brieftasche war ein dickes Bündel Banknoten gerutscht. Jaggers sah auf den ersten Blick, daß es mehr Geld war, als er in zehn Jahren verdiente. Wie unter dem Zwang einer Hypnose beugte er sich vor, nahm das Banknotenbündel und die Ringe an sich und verließ das Zimmer.
Der alte Hazelwood würde staunen...
Bereits zwei Stunden später saß er auf der Polizeistation in der St.-James-Street.
Obwohl Arthur Jaggers milde Richter fand , waren die Folgen für ihn furchtbar. In Anbetracht seiner bisherigen Unbescholtenheit kam er mit sechs Monaten Gefängnis davon.
Einhundertachtzig Tage und Nächte.
Einhundertachtzig mal vierundzwanzig Stunden, in denen er unablässig darüber nachdachte, wie es zu diesem Diebstahl hatte kommen können.
Er haderte mit sich und seinem Schicksal.
Als ihn Elaine nach seiner Strafzeit vom Gefängnis abholte, war er um Jahre gealtert. Und doch sollte dieser Tag ein Tag des hoffnungsvollen Neubeginns werden.
Elaine führte ihn nicht in ihre bisherige Wohnung in der Ribeck-Street, sondern nannte dem Taxifahrer eine Adresse in Eastend. Als Jaggers verwundert fragte , schüttelte Elaine nur den Kopf und machte ein geheimnisvolles Gesicht.
Die Campell-Street in Eastend war weder eine vornehme noch besonders saubere Straße, und auch die Nummer 12 sah von außen weder vornehm noch sonderlich gepflegt aus ,' aber es stand Hotel Central auf einem Leuchtschild, und noch ein Name war zu lesen: „Inh. Elaine Jaggers“.
Arthur
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