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Perry und das unheimliche Haus von Hackston

Perry und das unheimliche Haus von Hackston

Titel: Perry und das unheimliche Haus von Hackston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Minutenlang betrachtete er sein Werk und wog es abschätzend in der Hand. Dann schwang er es wie eine Keule durch die Luft. Er tat es widerwillig und ohne viel Kraft. Und aus seiner Miene sprach deutliche Abneigung gegen das, was er vorhatte.
    Er haßte Roheit und Gewalt. Trotzdem...
    Mit einer müden Handbewegung legte er die primitive „Waffe“ neben sich auf die Couch. Als sein Blick auf den jetzt dreibeinigen Stuhl fiel, schüttelte er den Kopf.
    Der Stuhl mußte weg.
    Er trug ihn ins Bad und setzte sich wieder auf die Couch. Noch zwei Minuten bis acht...
    Gedankenverloren starrte er auf die dicke Holzbohlentür, an der es weder einen Drehknopf noch eine Klinke gab.
    Noch eine Minute bis acht...
    Sie waren mit dem Essen immer pünktlich, das mußte man ihnen lassen. Pünktlich waren sie. Alle beide.
    Noch dreißig Sekunden...
    Der alte Mann erhob sich, ging an die Tür und preßte das Ohr gegen das Holz. Ein leises, rhythmisches Rumpeln war zu hören. Er kannte dieses Geräusch, ohne zu wissen, was es bedeutete.
    Es war immer da. Immer. Tag und Nacht. So wie er, der Tisch, das Radio und seine Ungewißheit über sein Schicksal da waren. Früher waren es auch Wut, Zorn und Verzweiflung. Doch dann dachte er an sein Herz, das manchmal so komisch hämmerte (obwohl Dr. Molquist behauptete, er sei der Typ, der hundert Jahre lebe), und er hatte beschlossen, das ihm unverständliche Geschehen ruhig und gelassen hinzunehmen. Daran hatte er sich auch gehalten — bis heute. Und er wußte selbst nicht, warum er nicht mehr tatenlos abwarten wollte, was mit ihm geschah.
    Waren es die Nachrichten der BBC? (Obwohl er sie täglich hörte!)
    Oder der Bericht über das Wetter? (Wie lange war es genau her, daß er zum letzten Mal den Himmel gesehen hatte?)
    War es vielleicht die Vorschau auf die Ostasienausstellung?
    Er wußte es nicht mehr.
    Das Gefühl, handeln zu müssen, war ganz plötzlich da.
    Schon acht vorbei... oder um korrekt zu sein: 20 Uhr...
    20 Uhr und 15 Sekunden
    20 Uhr und 20 Sekunden
    20 Uhr und 30 Sekunden
    Wo blieb das metallische Klirren, das wie das Zufallen einer Eisentür klang?
    20 Uhr und 40 Sekunden
    20 Uhr und 45 Sekunden
    Eine Minute nach 20 Uhr
    Er hatte es oft abgestoppt. Vom Klirren bis zum Schließen seiner Tür vergingen immer genau fünfunddreißig Sekunden. Das heißt, nur dann, wenn der Mürrische kam. Bei dem anderen dauerte es immer nur fünfundzwanzig Sekunden.
    20 Uhr und... da war es, das Klirren.
    Der Alte schaltete die Deckenbeleuchtung aus, atemlos, bebend vor Aufregung, ergriff er auf dem Rückweg das umwickelte Stuhlbein und erreichte gerade noch rechtzeitig die Tür.
    Er hob die zitternde Hand mit der Stuhlbeinkeule,
    der Schlüssel drehte sich,
    die Tür wurde auf gestoßen,
    ein Mann mit einem Tablett trat ahnungslos herein,
    hörte das Rauschen des Wassers und rief mürrisch und ungeduldig:
    „He, Alter, das Essen!“
    Da schlug der Arm des alten Mannes zu. Von ganz allein... Es gab zuerst ein dumpfes Geräusch, dann ein Klirren und Splittern; und mit einem leisen Stöhnen brach der Mürrische zusammen.
    Entsetzen,
    Schreck,
    Verwunderung,
    Ekel und
    Erbarmen überkamen den alten Mann. Und dann war nur noch das Gefühl grenzenloser Enttäuschung in ihm. Der Essenbringer hatte im Fallen mit seinem Körper die Tür zugeworfen.
    Die Tür seines Gefängnisses, die auf dieser Seite weder Drehknauf noch Klinke aufwies.
    Sekunden verrannen.
    Sekunden absoluter Hilflosigkeit. Das Stuhlbein war der Hand des alten Mannes längst entglitten, es lag jetzt, zusammen mit den Scherben der kleinen, blaugemusterten Teekanne, zwischen Toastbroten, Wurst und Käse.
    Plötzlich kam Leben in den Weißhaarigen. Er stürzte ins Bad, drehte den noch immer zischenden Wasserhahn zu, feuchtete ein Handtuch an und preßte dieses wenig später dem Niedergeschlagenen auf die Stirn und gegen die Schläfen.
    Als er dann die Scherben zusammenlas, fiel sein Blick auf eine hellbraune, schon abgewetzte Lederhülle. Wie hypnotisiert saugten sich seine Blicke daran fest... Kein Zweifel, sie mußte seinem Widersacher gehören. Anscheinend war sie ihm während des Niederstürzens aus der Tasche geglitten.
    Er griff danach, schlug sie auf.
    Es war ein Führerschein. Von einem kleinen Foto sah ihm das Gesicht des jetzt vor ihm liegenden Mürrischen entgegen. Und zum ersten Mal erfuhr er, wie der Mann hieß: Charly Webster.
    Und in diesem Augenblick begann sich Charly Webster alias Charly Bell zu regen. Aus dem flachen

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