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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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erkundigte sich Goldstein.
    Die junge Mutter machte eine leichte Kopfbewegung in Richtung ihrer Tochter und schaute Goldstein bittend an.
    Der verstand. »Frau Schaller, würden Sie mit dem Mädchen bitte einen Moment in das Wohnzimmer gehen? Frau Krafzyk und ich möchten uns ungestört unterhalten.«
    Als die beiden mit einem Teller Brote die Küche verlassen hatten, erklärte Mechthild Krafzyk zögernd: »Ich glaube, ich habe einen Mord gesehen. Am späten Mittwochabend vor einer Woche.«
    Der Hauptkommissar hatte geahnt, dass Mechthild Krafzyks Verschwinden mit seinem Mordfall zu tun haben könnte. Aber eine Tatzeugin? Das übertraf seine kühnsten Träume.
    »Erzählen Sie«, forderte er sie auf.
    »Wie gesagt, es war in der Nacht zum Donnerstag. Ich habe erst spät Feierabend gemacht. Und auf dem Weg von der Straßenbahnhaltestelle bis nach Hause …« Sie berichtete Goldstein, was sie beobachtet hatte.
    »Sie sind sich sicher, den Täter zu kennen?«
    »Heute bin ich mir ganz sicher. Er arbeitet im selben Kaufhaus wie ich. Nur im Lager.«
    »Er heißt wie?« Der Kommissar griff zu seinem Notizbuch.
    »Seinen Namen weiß ich nicht. Ich habe ihn lediglich häufiger im Magazin gesehen. Eigentlich wollte ich sofort zur Polizei gehen. Aber zuerst musste ich nach Ursula sehen. Meine Tochter war schließlich tagsüber alleine gewesen. Die Meldung bei der Polizei verschob ich auf den nächsten Morgen. Später begannen die Zweifel. Hatte ich mich wirklich nicht geirrt – in der Dunkelheit? Ich bin unsicher geworden, wollte ja nicht den Falschen beschuldigen. Den ganzen Tag über wusste ich nicht, was ich tun sollte. Am Abend war Anneliese bei mir. Zunächst dachte ich daran, ihr alles zu erzählen, schwieg dann doch. Am nächsten Morgen hatte ich mich dazu durchgerungen, den Vorfall anzuzeigen. Aber dann sah ich den Mörder wieder. Direkt hier vor meinem Haus.«
    »Der Mann, der im Lager des Kaufhauses arbeitet?«
    »Ja. Wissen Sie, Ursula schläft im Wohnzimmer. Ich muss dort hindurch, um ins Bad zu kommen. Nur das Wohnzimmerfenster ist von der Straße aus zu sehen. Die anderen Fenster gehen zum Garten raus. Um meine Tochter nicht zu stören, mache ich nie Licht, wenn ich aufstehe. Allerdings werfe ich meistens einen Blick hinaus, um das Wetter zu beobachten. Als ich das am Freitagmorgen tat, sah ich ihn. Schräg gegenüber im Schatten eines Hauseingangs. Er fiel mir auf, weil er sich just in dem Moment eine Zigarette anzündete. Mir blieb fast das Herz stehen. Er wusste also, wo ich wohnte. Und er beobachtete mich. Ich bekam fürchterliche Angst, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich habe Ursula geweckt, ihr schnell etwas übergezogen und bin mit ihr in den Keller gerannt. Dort haben wir uns versteckt. Nicht besonders intelligent, ich weiß. Aber ich war einfach in Panik! In den ersten Tagen haben wir uns nur selten in die Wohnung gewagt. Nur, wenn alles ruhig und die Haustüre verschlossen war. Und nachts natürlich. Glücklicherweise hatte ich ausreichend Essen im Haus. Nur das Brot ist zuletzt sehr trocken geworden. Aber jetzt …« Sie begann zu weinen.
    Goldstein wartete geduldig, bis sich Mechthild Krafzyk wieder beruhigt hatte.
    »Haben Sie den Mann danach noch einmal vor Ihrem Haus gesehen?«
    »Nein.«
    Der Polizist schaute auf seine Uhr. Es war kurz nach zwei. »Wie lange wird im Lager des Kaufhauses üblicherweise gearbeitet?«
    »Heute ist Freitag, nicht?«
    »Ja.«
    »Bis um drei, glaube ich.«
    »Gut. Wir bitten Ihre Freundin, einen Tag auf Ursula aufzupassen. Und dann fahren wir zu Ihrer Arbeitsstelle und Sie zeigen mir denjenigen, den Sie für den Mörder halten.«
    Mechthild Krafzyk blickte den Hauptkommissar entsetzt an.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, beruhigte er sie. »Wir sind ja nicht allein. Mein Fahrer wartet im Wagen. Er ist bewaffnet.«
    »Und Sie nicht?«, fragte sie stockend.
    »Heute nicht. Meine Dienstwaffe liegt in meinem Büro im Präsidium, ich trage sie nicht immer bei mir. Seien sie unbesorgt. Wir bleiben gemeinsam im Fahrzeug sitzen. Sie sollen mir den Mann lediglich zeigen. Er wird Sie nicht sehen.«
    Eigentlich rechnete Goldstein damit, dass der Verdächtige bereits geflüchtet war. Schließlich musste er ja davon ausgehen, dass Mechthild Krafzyk ihn erkannt hatte. Andererseits war er bis jetzt von der Polizei unbehelligt geblieben. Da war es immerhin möglich, dass er glaubte, eben doch nicht identifiziert worden zu sein. Zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber

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