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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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sie ihr Gemüse zogen. Danach setzte er den Komposthaufen um und säuberte die Kaninchenställe, eine Aufgabe, die er nur ungern übernahm. Hermann Treppmann hatte mit seinen zweiundsiebzig Jahren erhebliche Probleme mit den Bandscheiben und Schwierigkeiten, den Rücken zu krümmen. Wann immer es möglich war, erledigte deshalb Lisbeth diese Arbeit für ihren Vater. Aber heute war ihr Mann im Haus und die Reinigung blieb an ihm hängen.
    Peter Goldstein wusch sich gründlich. Als er aus dem Waschkeller, in dem ihr Badezuber stand, zurückkehrte, wartete seine Frau bereits auf ihn.
    »Ich habe Ilse Bertelt beim Einkaufen getroffen.«
    Die Mutter des Jungen, den er vor sieben Jahren verhaftet hatte. Ihm wurde bei dem Gedanken flau im Magen.
    »Ja?«
    »Sie hat mich wieder so vorwurfsvoll angeschaut. Hast du mir wirklich alles über die Verhaftung erzählt?«
    Goldstein hasste diese Frage. Denn er hatte ihr nicht ganz die Wahrheit gesagt, hatte ihr natürlich verschwiegen, dass er den jungen Bertelt noch einmal in der Untersuchungshaft im Gestapokeller besucht und ausgefragt hatte. Dass er den Jungen, den die Gestapo auf das Übelste misshandelt hatte, auch noch angelogen hatte. Erwins Aussage gegen Goldsteins Hilfestellung für Mutter und Großvater. Das hatte er ihm damals versprochen, obwohl er wusste, dass er diese Zusage nicht würde halten können.
    »Aber ja!«, antwortete er trotzdem seiner Frau. »Was sollte ich dir verheimlicht haben?« Dabei bemühte er sich, ein unschuldiges Gesicht zu machen.
    Lisbeth sah ihn prüfend an. Goldstein beschlich das Gefühl, dass sie ihm nicht glaubte. Glücklicherweise gab sie sich mit seiner Antwort zufrieden. »Dann ist es ja gut«, meinte sie nur.
    Goldstein versuchte, die Schuldgefühle zu verdrängen. Er ging nach dem Gespräch ins Wohnzimmer und meldete sich telefonisch bei Franz Hinterhuber, Mitarbeiter der hiesigen lokalen Tageszeitung.
    Der Hauptkommissar kannte Hinterhuber seit etwas über einem Jahr, seit der junge Redakteur aus Süddeutschland ins Ruhrgebiet gewechselt war. Der Leiter der Lokalredaktion hatte ihn damals dazu verdonnert, täglich der Herner Kripo Hintergrundinformationen zu den offiziellen Pressemitteilungen des Polizeipräsidiums Bochum zu entlocken. Auch Goldstein war von ihm kontaktiert worden. Und in der Tat konnte der Polizist dem Nachwuchsjournalisten einige Male Tipps geben, die sein Ansehen in der Redaktion, vor allem aber bei dessen Chef, verbesserten. Kurz gesagt: Hinterhuber war ihm einen Gefallen schuldig.
    Die Redaktionsräume der Zeitung befanden sich ganz in der Nähe der Einkaufsstraße in der Innenstadt. In drei großen Zimmern standen die Schreibtische von sieben Journalisten. Die Türen zwischen den Räumen waren weit geöffnet. Schreibmaschinen klapperten, Telefone schellten, lautstark wurde diskutiert. Goldstein wunderte sich, wie jemand bei diesem Geräuschpegel einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn aufschreiben konnte.
    Hinterhuber wartete bereits auf ihn. »Lassen Sie uns einen Kaffee trinken«, schlug er vor. »Dann können wir uns ungestörter unterhalten.«
    Kurz darauf hockte Goldstein erneut in dem Caféhaus. Zum zweiten Mal seit gestern, langsam wurde er zum Stammgast.
    »Sie haben eben ja so geheimnisvoll getan, Herr Hauptkommissar. Um was geht es?«
    »Die Sache ist ein wenig heikel. Ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen?«
    »Natürlich. Habe ich Sie schon jemals enttäuscht?«
    »Nein. Also, die Sache ist folgende. Wir ermitteln in einem Mordfall …« Goldstein erzählte Hinterhuber vom Mord an Lahmer, Müllers Flucht und dem vermeintlichen Selbstmord des Täters. Er begründete seinen Verdacht, dass Müller einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte, verschwieg jedoch Gerbers Sinneswandel. Schließlich kam er zum problematischen Teil. »Der Fall ist für meinen Vorgesetzten abgeschlossen. Das bedeutet, dass ich nicht weiter ermitteln darf. Zumindest nicht offiziell. Wenn aber Sie die Selbstmordthese öffentlich bezweifeln und die Bevölkerung zur Mithilfe aufrufen, kann Ihnen das niemand verbieten.«
    »Und wie bin ich an die Informationen gekommen?«
    Goldstein antwortete mit einer Gegenfrage. »Das müssen Sie nicht preisgeben, oder?«
    »Eigentlich nicht. Unsere Quellen genießen Vertrauensschutz.«
    »Sehen Sie. Sie können doch eine Formulierung benutzen wie: ›aus gut unterrichteten Kreisen.‹ So in der Art.«
    »Nicht besonders originell.«
    »Lassen Sie sich etwas einfallen. Sie sind

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