Persilschein
Krönert die Mühe gemacht, so leicht zu merkende Wörter zu verschlüsseln? Seltsam.
Sein Telefon schellte.
»Hansmeier. Sie wollten mich sprechen?«
Für einen Moment wusste Goldstein nicht, wer da in der Leitung war. Aber dann fiel es ihm wieder ein. Der Mitarbeiter der Bank, bei der Lahmer sein Schließfach unterhalten hatte. »Wie war Ihr Urlaub in Norditalien?«, fragte er.
»Schön«, antwortete Hansmeier verwundert.
»Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Natürlich. Wann und wo?«
»Am besten sofort. Können Sie ins Präsidium kommen?«
»Nur ungern. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber heute ist mein erster Arbeitstag nach der langen Auszeit. Da wäre es mir …«
»In Ordnung«, unterbrach ihn der Kommissar. »Ich suche Sie in der Bank auf.«
Hansmeier identifizierte Krönert anhand eines Fotos. »Ja, das ist der Mann, der kurz vor meinen Ferien das Schließfach geöffnet hat.«
»Ohne Zweifel?«
»Ja.«
»War er schon einmal vorher hier?«
»Nicht bei mir.«
»Hat er etwas aus der Kassette mitgenommen?«
»Herr Kommissar«, erklärte Hansmeier. »Wir öffnen den Zugang zum Tresor. Der Behälter bleibt für uns verschlossen. Bevor der Kunde ihn öffnet, verlassen wir den Raum und kehren erst zurück, wenn wir dazu aufgefordert werden.«
»Führte dieser Klient eine Tasche mit sich?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Aber natürlich ist es möglich, den Inhalt, sofern er nicht zu groß ist, in einer Jackentasche zu transportieren. Wir durchsuchen niemanden.«
Das hatte Goldstein auch nicht erwartet. Auf jeden Fall stand fest, dass Krönert sich als Uwe Schmidt ausgegeben hatte und in der Bank gewesen war. Ob dieser jedoch die Box ausgeräumt hatte oder sie bei dessen Bankbesuch bereits leer gewesen war, wusste Goldstein immer noch nicht.
»Danke, Herr Hansmeier. Sie haben mir sehr geholfen.«
62
Montag, 23. Oktober 1950
Trasse griff zum Telefon und wählte die geheime Nummer. Als sich jemand meldete, antwortete Trasse mit dem Code, der nur den Mitgliedern der Organisation bekannt war. »Ist Alfred zu sprechen?«
»Warum?«
»Ich habe ihm Karten für ein Mozart-Konzert besorgt. Sie spielen den Ring der Nibelungen. «
»Das ist von Wagner.«
»Da habe ich mich wohl geirrt.«
»Sie sollten mich nicht anrufen.«
»Ich weiß«, erwiderte Trasse. »Aber es ist dringend. Bos macht Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, dass er den Mumm hat, Müller auszuschalten. Soll ich Schönberger damit beauftragen?«
»Nein.«
»Wieso nicht?« Trasse war verwundert.
»Müller ist nicht mehr in diesem Krankenhaus.«
Der Kaufhausbesitzer war immer wieder verblüfft, wie gut informiert die Organisation war. »Sind Sie sicher?«
»Selbstverständlich. Schönberger hat im Präsidium gehört, in welche Klinik Müller eingeliefert worden ist und dann dort nachgefragt, wie es um dessen Gesundheitszustand stehe. Man hat ihm die Auskunft gegeben, dass Müller verlegt wurde.«
»Und wohin?«
»Darüber konnte wir nichts in Erfahrung bringen. Schönberger wird sich darum kümmern. Möglicherweise machen wir uns unberechtigte Sorgen. Aber solange wir nicht wissen, was Müller alles weiß, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen. Er darf unter keinen Umständen reden. Sind Ihre Reisewünsche noch aktuell?«
»Natürlich.«
»Gut. Ich habe eben deswegen mit unseren Freunden gesprochen. Sie werden Sie in den nächsten dreißig Minuten anrufen. Ich hoffe, das ist so in Ihrem Sinne.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Wir bleiben in Kontakt.« Er legte auf.
Wieland Trasse schenkte sich Tee nach und übte sich in Geduld. Das Warten auf den avisierten Anruf erschien ihm endlos.
Endlich klingelte das Telefon. Er meldete sich. Wieder der Austausch des Codes. Nur dass die Stimme am anderen Ende der Leitung mit deutlichem, amerikanischem Akzent sprach.
»Wir haben zwei Visa. Eines für Sie, eines für Pauly.«
»Was ist mit Walter Stirner?«
»Er hat keinen Wert für uns. Außerdem ist es in unserem Land nur schwer zu vermitteln, ausgerechnet einem zur Fahndung ausgeschriebenen früheren Mitarbeiter Eichmanns zu helfen.«
»Pauly wird ebenfalls gesucht.«
»Das ist etwas anderes. Er war Richter sowohl am Volksgerichtshof als auch bei einem Militärgericht. In beiden Fällen zuständig für gegnerische Spionageorganisationen. Er kennt deren Strukturen, Hintermänner, Auftraggeber in der Sowjetunion. Solche Leute brauchen wir. Stirner hat lediglich Juden gejagt. Uninteressant. Gute Fahnder haben wir
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