Persilschein
Ich bin die Polizei. Wenn ich es nicht weiß, wer dann?«
»Ja, aber wie …«
»Heute am frühen Morgen. In seiner Wohnung. Er hat versucht, sich den Weg freizuschießen. Tja, hat nicht geklappt. Einer meiner Kollegen war schneller. Ach, irgendwie würde ich jetzt gern einen Sekt trinken. Du lädst mich doch ein, oder?« Er winkte den Kellner zu sich und bestellte. »Und der Herr hier«, er zeigte auf Bos, »benötigt einen Cognac.«
Als die Getränke kamen, hob Schönberger sein Glas. »Prost, Johann«, sagte er nur.
»Was noch?«, presste Bos hervor.
»Meine Kollegen haben das Geld gefunden. Und einen gefälschten Ausweis auf den Namen Schmidt. Hast du den nicht besorgt?«
»Du weißt genau, dass ich im Auftrag gehandelt habe.«
»Das ist mir bekannt. Ich meinte damit, dass du ihn bestimmt persönlich beim Fälscher abgeholt hast. Sicher hast du nicht vergessen, Handschuhe anzuziehen? Wegen der Fingerabdrücke.«
Bos wurde auf seinem Stuhl immer kleiner. »Was willst du von mir?«, fragt er endlich.
»Der Chef hat eine Aufgabe für dich. Weil Krönert die Sache nicht zu Ende bringen konnte, ist es jetzt an dir, seinen Fehler auszubügeln.«
»Um was geht es?«
»Nichts Besonderes für einen Mann deines Kalibers.« Der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar. »Krönert sollte jemanden für den Chef aus dem Weg räumen. Das ist bedauerlicherweise schiefgegangen. Krönert war dein Mitarbeiter und du bist für ihn verantwortlich.«
Bos war aschfahl im Gesicht. »Das, das ist unmöglich. Ich … Bitte«, stammelte er. »Ich habe noch nie …« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ohne mich.«
»Wie du meinst«, erwiderte Schönberger ungerührt. »Ich werde es dem Chef ausrichten. Ahnst du eigentlich, warum Lahmer dran glauben musste?«
»Nein.«
Schönberger trank das Sektglas in einem Zug aus. Dann beugte er sich zu Bos und flüsterte ihm ins Ohr: »Ungehorsam.« Er stand auf. »Wenn du es dir anders überlegst: Mein Gespräch mit dem Chef ist morgen Abend um Punkt sieben Uhr. Du weißt ja, wo du mich erreichen kannst. Einen schönen Tag. Und danke für den Sekt.« Mit diesen Worten verließ er den Tisch.
Johann Bos griff mit schweißnassen Händen zum Cognacschwenker und kippte den Inhalt herunter. Der Schnaps brannte in seiner Kehle.
Er sollte einen Mord verüben. Unmöglich! Aber wenn er sich dem Chef widersetzte … Ihm war klar, welches Schicksal Lahmer und Müller getroffen hatte. Er musste verschwinden. Möglichst schnell. Möglichst weit weg. Nur wohin? Sicher war er nirgends, der Einfluss der Organisation war nicht zu unterschätzen. Sie würde ihn überall aufspüren, Mitleid konnte er dann nicht erwarten. Nein, das war keine Lösung. Fieberhaft dachte er nach.
Er hatte er nur eine Chance: Die Polizei musste ihm helfen. Seine Aussage gegen ihren Schutz. Er hatte nur dafür zu sorgen, dass dieser Mistkerl Schönberger nichts von seinen Absichten erfuhr. Das bedeutete, sich einem Polizisten zu offenbaren, der nicht mit Schönberger zusammenarbeitete. Bos wusste, dass sich Schönberger in der Vergangenheit immer wieder abfällig über einen seiner Kollegen geäußert hatte. Hauptkommissar Goldstein.
Den würde er kontaktieren.
60
Sonntag, 22. Oktober 1950
Obwohl Arbeit auf ihn wartete, schlief Goldstein länger und frühstückte ausgiebig mit Lisbeth. Ein seltenes Vergnügen. Gegen Mittag machte er sich auf, sein Vorhaben von letzter Nacht in die Tat umzusetzen.
Doktor Gerber sah besser aus als bei Goldsteins letztem Besuch. Keine Alkoholfahne, frisch rasiert, nur leichte Ringe unter den Augen. Mit der Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen, schien eine Last von ihm abgefallen zu sein.
Gerber schien ehrlich erfreut, ihn zu sehen. »Hauptkommissar Goldstein. Was für eine Überraschung!«
»Ich muss mit Ihnen reden.«
Die Züge des Mediziners verfinsterten sich. »Worüber? Mein Gutachten werde ich nicht zurücknehmen, das wissen Sie hoffentlich.«
»Darum geht es mir nicht. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Gerber bat ihn in die Wohnung. Das Wohnzimmer war aufgeräumt. Nichts deutete mehr auf seine Alkoholexzesse hin.
»Um was geht es?«, fragte Gerber, nachdem sie am Tisch Platz genommen hatten.
»Sicher haben Sie von dem Mordversuch am Wasserschloss gehört.«
»Nicht nur das. Ich bin sogar befragt worden.«
»Und?«
»Leider konnte ich nichts zur Aufklärung beitragen. Ich war zu der Zeit nicht in meinen eigenen vier Wänden, sondern zum Einkaufen in der Stadt.«
»Es
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