Persilschein
in seinen Arztkittel, das Schwesternzimmer und verlangte mit befehlsgewohnter Stimme, den Chefarzt zu sprechen. Erwartungsgemäß war dieser nicht anwesend. Mantrop zog ein von ihm mit falschem Namen unterschriebenes Verlegungsformular aus der Tasche und händigte es der Oberschwester aus. Dann ordnete er an, den Patienten für den Transport vorzubereiten.
Die Krankenschwester, obwohl vom forschen Auftreten des Mediziners beeindruckt, wagte trotzdem einen Widerspruch.
Mantrop blaffte sie an: »Wenn Sie auch nur den geringsten Zweifel an der Rechtsmäßigkeit meines Handelns haben, verlange ich, dass Sie auf der Stelle den Herrn Chefarzt anrufen und ihn konsultierten.«
»Aber heute ist sein freier Tag«, erwiderte die Schwester sichtlich eingeschüchtert.
»Das ist Ihre Verantwortung. Entweder Sie machen den Patienten transportfähig oder Sie stören Ihren Vorgesetzten in seiner wohlverdienten Sonntagsruhe.«
Kurz darauf lag Konrad Müller im Krankenwagen. Während der Fahrt nach Wanne-Eickel studierte Mantrop dessen Krankenakte und gab Goldstein eine Zusammenfassung von Müllers Zustand. »Er hat ziemliches Glück gehabt. Einige Zentimeter weiter nach rechts und die Herzkammer wäre getroffen worden. Das hätte er nicht überlebt. Der starke Blutverlust konnte durch Transfusionen ausgeglichen werden. Jetzt steht er ohnehin unter Beruhigungsmitteln und schläft fest.«
»Wann ist er vernehmungsfähig?«
»Vermutlich sobald er aufwacht.«
»Und wann wird das sein?«
»Morgen.«
»Ich denke, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, begann Goldstein.
Der Oberarzt winkte ab. »Ich möchte nicht mehr als nötig mit dieser Angelegenheit zu tun haben. Behalten Sie also Ihr Wissen für sich. Er ist lediglich ein weiterer Patient in meiner Verantwortung.«
Dreißig Minuten später schob eine Krankenschwester das Bett eines Klaus Parker in sein Zimmer auf der Station für Innere Medizin des St. Anna Hospitals in Wanne-Eickel.
61
Montag, 23. Oktober 1950
Hauptkommissar Peter Goldstein stierte schon seit geraumer Zeit auf die Ziffernfolgen in Krönerts Notizblock.
11 1341-15 13
20-2-17 135-13 -113
19 1-15 138-17 5-7
11-6909-832
Handelte es sich um Telefonnummern?
Er griff zum Hörer und wählte die Rufnummer der Vermittlung. Eine Frauenstimme informierte ihn auf seine Frage hin, dass die Zahlen der ersten Reihe keine ihr bekannte Telefonnummer darstellten. Fehlanzeige auch bei den anderen Zeilen.
Was bedeuteten die Bindestriche? Warum hatte Krönert diese Zahlen notiert? Es musste einen Grund geben.
Goldstein spekulierte weiter. Bankkonten? Irgendein Code? Er ordnete der Folge 1113411513 die Buchstaben des Alphabets zu. A für 1, B für 2 und so fort. Schließlich las er: AAACDAAEAC. Das ergab keinen Sinn.
Dann sortierte er die Zahlen in Zweierkombinationen: 11 13 41 15 13. Bei der dritten Zweiergruppe sah er ein, dass auch dieser Lösungsansatz in die Irre führte. Das Alphabet hatte keine 41 Buchstaben.
Möglicherweise handelte es sich ja um eine mathematische Addition: Die Ziffer 1 steht für A und die nächste Zahl zeigt an, um wie viele Stellen weitergesprungen wird. Also: A plus 1 ergibt B plus 1 ergibt C … ABCFJKLQRU. Nein, Blödsinn.
Was aber, wenn die erste der Kombinationen der Ausgangspunkt ist, überlegte er. 11 stand für das K. Plus 1 führte zu L. Drei Buchstaben weiterspringen. Das O. Nun vier weiter. S. Plus 1 – T. KLOST … Einen hinzu. U. Und fünf. Z. Ende.
Das konnte nicht der Code sein.
Er schaute erneut auf die Zahlenfolge und sein bisheriges Ergebnis. Welche Worte begannen mit ›Klost‹? Goldstein sprang auf und suchte im Schrank nach einem Wörterbuch. Da! Er schlug es auf und blätterte. Klopfen, Klöppel, Kloß, Kloster. Klosterschwester – zu lang. Nur wie leitete sich das E aus der Ziffernfolge ab? Murmelnd rasselte er das Alphabet herunter, vor- und rückwärts. Dabei zählte er mit. Und schließlich hatte er es. Natürlich! Es wurde bis zum Bindestrich addiert. Der Strich bedeutet aber ein Minus. Und die Leerstelle hinter den nächsten zwei Zahlen hieß, dass zweistellig subtrahiert oder addiert werden musste. Minus 15. Das E. Dann ging es wie gehabt weiter. Plus 13. R. Ergab: Kloster.
Der Hauptkommissar wandte diese Methode auf die anderen Reihen an, wobei die Null schlicht signalisierte, dass der Buchstabe wiederholt wurde.
Das Ergebnis lautete:
Kloster
Transfer
Sterzing
Kennwort
Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten? Und warum hatte sich
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