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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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den Ebenen des Bewusstseins. Wir erfahren bewusst nur diese Interpretationen, nicht das Original. Das bewusste Ich versteht die »Originalsprache« der subcorticalen Zentren nicht – deshalb sind sie eben unbewusst!
    Damit geraten wir in all die Schwierigkeiten, die auftreten, wenn wir auf einen Übersetzer angewiesen sind, weil wir die Originalsprache nicht verstehen können: Wir müssen uns auf das Können und die Redlichkeit des Übersetzers verlassen. Nehmen wir an, wir befinden uns in einem Land, dessen Sprache wir nicht sprechen, und geraten in eine schwierige Situation, zum Beispiel weil wir mit unserem Auto einen Unfall hatten und die Schuldfrage nicht ganz eindeutig ist. Die Einheimischen sind aufgebracht und gestikulieren wild. Zum Glück spricht einer der Anwesenden unsere Sprache leidlich gut und bietet sich als Interpret an. Wir erklären ihm den Hergang und deuten darauf hin, dass der einheimische Unfallgegner zu schnell gefahren ist. Der Übersetzer redet mit den Leuten, die noch aufgebrachter werden und auf unser Auto und das des Unfallgegners deuten, der übrigens der Sohn des Häuptlings sein soll. Übersetzt unser Übersetzer das, was wir aussagen, richtig? Beherrscht er überhaupt so gut unsere Sprache? Begreift er überhaupt den Sachverhalt?
    Noch schwieriger wird die Sache, als er in der angeblichen Hütte des angeblichen Häuptlings verschwindet, nach einiger Zeit wieder herauskommt und uns sagt, wir sollten eine beträchtliche Summe zahlen, sonst kriegten wir Ärger. Was ist in der Hütte vor sich gegangen? Vielleicht steckt der Übersetzer mit den Einheimischen unter einer Decke und will nur an uns verdienen. Wir sind der Situation ausgeliefert, wir können uns nur an das halten, was der Übersetzer uns erzählt, insbesondere von dem Gespräch mit dem »Häuptling«, von dem wir nichts gehört oder gesehen haben.
    Alles, was das Vorbewusste und das Unbewusste dem Bewusstsein mitteilen, wird von bewusstseinsbegleiteten Prozessen in Worte gefasst und interpretiert. Die Inhalte des Vorbewussten sind die angeeigneten Regeln des sozial erwünschten Verhaltens. Die Inhalte des Unbewussten stellen hingegen die Welt so dar, wie ein kleines Kind sie sieht. Das subcorticale System ist ja »infantil« im direkten Sinne. Seine (sprachlosen) Aussagen stammen aus einer Zeit, die längst vergangen zu sein scheint und uns gar nicht direkt verständlich wäre. Auch werden die Botschaften dieses infantilen Systems gefiltert durch das Vorbewusstsein. Das Vorbewusstsein wacht darüber, was von den Botschaften aus dem unbewussten Teil des Selbst an die Grenzen des Bewusstseins dringt, und bestimmt, was davon in welcher Weise bewusst werden soll. Allerdings klingt das so, als könnte das Vorbewusste die Botschaften des Unbewussten nach Belieben bearbeiten. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr hat sich das Vorbewusste seinerseits zumindest zum Teil durch den Einfluss des Unbewussten geformt und ist damit auch sein Erzeugnis.
    Schließlich dringen die gefilterten Botschaften in unser Bewusstsein, und wir erleben sie als unsere Gefühle, Wünsche, Gedanken, Motive und Ziele, d. h. das bewusste Ich schreibt sie sich fälschlich als von ihm hervorgebrachte Zustände zu. Das ist die Illusion der falschen Urheberschaft des bewussten Ich. Diese Zustände geraten in den bewusst-emotionalen und sprachlich-rationalen Kontext und erhalten dadurch ganz bestimmte Assoziationen, die sie vorher nicht hatten. Zuvor sprachlose Gefühle der Furcht und Angst erhalten in dieser Welt eine bestimmte Deutung: Sie heften sich an bestimmte Geschehnisse, die im Zweifelsfall primär gar nichts mit ihnen zu tun haben. Sie entstammen zum Beispiel einer negativen Bindungserfahrung, dem Erleben der Hilflosigkeit und Einsamkeit des Säuglings und treten im Erwachsenenalter in Form der Trennungsangst gegenüber dem Partner auf. Dies meinte Sigmund Freud, wenn er sagte, dass unbewusste kindliche Konflikte in »verkleideter Form« im Erwachsenenalter auftreten. Allerdings meinte er Konflikte in einem kindlichen Alter, in dem es bereits erinnerungsfähiges Erleben gibt, das verdrängt werden kann. Die nicht erinnerungsfähige Bindungserfahrung des Säuglings und Kleinkindes war für ihn kein Thema und ist in der Psychoanalyse erst viel später thematisiert worden.
    Fest steht, dass all unsere Bemühungen, uns per Selbstreflexion zu verstehen, an Grenzen stoßen, die das Vorbewusste ihnen setzt, und dass wir nie in die Sphäre unseres Unbewussten

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