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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Rastplatz! Das wusste man aber vorher nicht, und der Hunger und die Müdigkeit waren eben groß. Ein ähnliches Problem ist »der günstigste Preis«: Man trifft immer Leute, die die Kamera oder das Auto, das ich gerade günstig erworben
habe, noch günstiger gekriegt haben! Die Lebensweisheit sagt uns, sich nicht zu ärgern, sondern mit dem relativen Optimum zufrieden zu sein (wäre ich nicht weitergegangen oder hätte nicht zufällig Herrn X von seinem Kauf reden hören, wäre ich sehr zufrieden geblieben).
    Es ist beeindruckend zu sehen, wie erfolgreich zuweilen diese »frugalen« Strategien oder Heuristiken sind. Leute gehen in der Tat auch ohne großes Nachdenken so vor: Empirische Untersuchungen zeigen, dass sie in den allermeisten Fällen nur aufgrund eines Kriteriums oder maximal zweier Kriterien entscheiden, und sie erzielen damit häufig auch gute, wenngleich nicht optimale Ergebnisse, die aber eventuell auch bei aufwändigen Entscheidungsfindungen nicht zu realisieren sind. Freilich handelt es sich um Heuristiken und demnach einfache und schnelle Vorgehensweisen, die sich bewährt haben. Das heißt aber nicht, dass es nicht doch Fälle gibt, in denen eine sehr aufwändige Analyse der Entscheidungssituation und ihrer Randbedingungen geboten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Dinge sich ganz anders verhalten, als man gemeinhin meint. Dies ist, wie Gigerenzer kürzlich in seinem Buch »Das Einmaleins der Skepsis« sehr schön gezeigt hat, zum Beispiel mit Wahrscheinlichkeitsaussagen über zukünftige Ereignisse (Wettervoraussagen, Diagnose-, Krankheits- und Unfallrisiken, Gewinnwahrscheinlichkeiten usw.) der Fall. Allerdings hilft es – wie der Autor zeigt – auch hier, sich durch kurzes Nachdenken die Wahrscheinlichkeiten erst einmal klar zu machen und dann vernünftig abzuschätzen.

Möglichkeiten und Grenzen bewusster Entscheidungen
     
    Neben der Frage, wie aufwändig oder wie sparsam man bei Entscheidungen vorgeht, stellt sich die Frage, welche Rolle das Bewusstsein in Form rationalen Vorgehens spielt. In der Regel gehen wir alltagspsychologisch von der Annahme aus, dass Entscheidungen umso besser sind, je bewusster sie getroffen werden. Ständig werden wir gewarnt: Entscheide nicht zu spontan, sondern warte und wäge ab! In der Tat kann man zeigen, dass spontane Entscheidungen »aus dem Bauch heraus« ein hohes Risiko in sich tragen, besonders wenn die Entscheidungen unter Stress oder sonstigem starkem affektiv-emotionalem Druck stehen. Das Gegenteil ist aber nicht unbedingt das sorgfältige bewusst-rationale Abwägen, sondern oft werden komplexe Entscheidungen ohne großes Zutun der bewussten Ratio getroffen.
    Dies kann man besonders eindrucksvoll in all den Fällen erkennen, in denen Tiere komplexe Entscheidungssituationen meistern. Zwar können wir davon ausgehen, dass zumindest einige Tiere bestimmte Formen von Bewusstsein besitzen, die wir beim Menschen finden, wie bewusste Wahrnehmung, Aufmerksamkeit oder Selbsterkennen, aber kein Tier verfügt über höhere mathematische Methoden und leistungsfähige Computer. Dennoch zeigen viele Tiere etwa im Bereich der Nahrungssuche, des Sozialverhaltens und der Revierverteidigung, des Schutzes vor Feinden, im Fortpflanzungsverhalten, bei der Brutfürsorge und der Kommunikation ein Verhalten, das Verhaltensökologen »quasi-rational« nennen. Dies bedeutet, dass Tiere sich in vielen Situationen so verhalten, »als ob« sie eine mathematisch aufwändige Kosten-Nutzen-Analyse ausführten. Dies gilt insbesondere für solche Verhaltensstrategien, die nur langfristig optimal sind und kurzfristige Nachteile in Kauf nehmen. Langfristig optimale Verhaltensweisen sind immer Kompromisse aus bestimmten vorteilhaften Verhaltensweisen und vorliegenden Beschränkungen und Zwängen und sind deshalb auch den mit Verstand und Vernunft begabten Menschen meist nur schwer vermittelbar.
    Ein Beispiel für einen solchen Ansatz ist die Theorie der optimalen Nahrungsbeschaffung ( Optimal Foraging Theory , vgl. dazu das vorzügliche Lehrbuch von John Alcock »Das Verhalten der Tiere aus evolutionsbiologischer Sicht« von 1996). Man nimmt dabei an, dass Tiere primär darauf aus sind, ihren Energiegewinn aus dem Futter zu maximieren. Daher sollte zu beobachten sein, dass Tiere immer die kalorienreichste Nahrung in schnellster Zeit und größter Menge zu sich nehmen. Dies wird in aller Regel aber nicht beobachtet, sondern die Tiere verhalten sich scheinbar »suboptimal«,

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