Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
kürzlich Aufsehen erregende Untersuchungen hierzu veröffentlicht (Dijksterhuis et al., 2006).
Diese Arbeitsgruppe führte eine Serie von vier Untersuchungen durch. In der ersten Untersuchung sollten sich Versuchspersonen zwischen vier (hypothetischen) Autos entscheiden, wobei die Autos entweder durch vier oder durch zwölf positive oder negative Merkmale bestimmt waren (einfache vs. komplexe Entscheidungssituation). Die Versuchspersonen sollten die Informationen (Merkmale) lesen und konnten dann entweder für vier Minuten darüber nachdenken, ehe sie sich für ein Auto entschieden, oder sie wurden für vier Minuten durch eine andere Aufgabe vom Nachdenken abgelenkt, ehe sie sich ebenfalls entschieden. Das Resultat war sehr überraschend: In der einfachen Entscheidungssituation (vier Merkmale) entschieden sich diejenigen für das tatsächlich beste Auto, die bewusst über die Entscheidung nachdachten, während in der komplexen Entscheidungssituation diejenigen besser abschnitten, die keine bewusste Entscheidung treffen konnten, weil sie abgelenkt waren.
In der zweiten Untersuchung wurden Versuchspersonen nicht nach der Wahlentscheidung, sondern nach der Attraktivität der Autos gefragt. Auch hier schnitten die Versuchspersonen mit bewusstem Abwägen bei einfacher Merkmalssituation besser ab und die Versuchspersonen mit unbewusstem Abwägen bei komplexer Merkmalssituation.
In der dritten Untersuchung wurden Versuchspersonen befragt, die 40 verschiedene Produkte unterschiedlicher Komplexität (von der Zahnpasta bis zur teuren Kamera) gekauft hatten. Überprüft wurden die Zeit, die sie mit Überlegungen vor dem Kauf verbracht hatten, sowie die Zufriedenheit mit dem Produkt nach dem Kauf. Auch hier zeigte sich, dass die Versuchspersonen bei einfachen Produkten am zufriedensten waren, wenn sie sich den Kauf gut überlegt hatten, aber bei komplexen Produkten waren sie umso unzufriedener, je länger sie sich den Kauf überlegt hatten.
In der vierten Untersuchung wurden Personen befragt, die gerade in einem üblichen Kaufhaus Alltagsprodukte oder bei IKEA Möbel gekauft hatten, was meist eine komplexere Angelegenheit ist. Die Leute wurden nach dem Produkt, seinem Preis und der Vertrautheit damit und nach der Zeit des Überlegens vor dem Kauf gefragt. Ein paar Wochen danach wurden dieselben Personen angerufen und gefragt, wie zufrieden sie mit dem Kauf waren. Heraus kam wiederum, dass die Leute, die nach reiflichem Überlegen einfache Produkte gekauft hatten, ebenso zufrieden waren wie diejenigen Leute, die ohne großes Überlegen komplexe Produkte gekauft hatten, während dies beim jeweiligen Gegenteil nicht der Fall war.
Bei der Beurteilung dieser Ergebnisse ist es wichtig zu beachten, dass es nicht um den Gegensatz zwischen schneller Entscheidung ging – d. h. unter Zeitdruck bzw. aus dem Bauch heraus, oder aber aus wohlüberlegter Entscheidung –, sondern um bewusste oder unbewusste Entscheidung im selben Zeitrahmen. Während die einen nachdachten, ließen die anderen die Frage »ruhen«. Ebenso ging es um die Kaufentscheidung, mit der die Leute anschließend am zufriedensten waren, und nicht um eine abstrakt »optimale« Entscheidung. Letzteres ist sofort einsichtig: Die beste Entscheidung ist die, die man auch lange Zeit später noch für die richtige hält. Ersteres ist hingegen nicht so leicht einzusehen. Man hätte erwarten können, dass bei komplexen Entscheidungssituationen ein Nachdenken nicht mehr bringt als ein »Ruhen-Lassen«, aber nicht, dass das Nachdenken an sich schlechter ist.
Genauere Analysen des Ablaufs von Denk- und Entscheidungsprozessen geben jedoch Hinweise auf eine Antwort. Wie schon weiter oben festgestellt, ist unser Denken schnell überfordert, wenn eine Situation auch nur mäßig komplex wird. Dies hängt mit der äußerst beschränkten Verarbeitungskapazität unseres Arbeitsgedächtnisses und der damit eng verbundenen Konzentrationsfähigkeit zusammen. Man kann bekanntlich nur ungefähr fünf einfache Dinge im Kopf behalten und nicht mehr als zwei Vorgänge gleichzeitig intensiv verfolgen (auch das ist schon schwer) – bei dreien nimmt die allgemeine Aufmerksamkeit drastisch ab, und man muss mit seiner Aufmerksamkeit dann hin und her springen. Dasselbe gilt für mehr als zwei Faktoren, mit denen man gleichzeitig gedanklich hantieren soll. Am leistungsfähigsten ist unser Aufmerksamkeitsbewusstsein dann, wenn es sich voll und ganz in eine Sache vertiefen kann.
Unser Gehirn
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