Personenschaden
zweistöckige Wohngebäude mit dem roten Satteldach ging in den Stall und eine große Scheune über. Allerdings fehlte die übliche Geranienpracht an den geschnitzten Balkonen, mehrere Sprossenfenster waren von Efeu überwachsen und im mit groben Brettern eingezäunten Bauerngarten wucherte Gemüse neben Unkraut.
Schwarz hielt Ausschau nach Grenzebachs Fiat. Vor dem Haus stand er nicht, aber auch als Schwarz sich im Schutz einiger Haselstauden und eines Schuppens ans Haus angeschlichen hatte, war von dem Auto nichts zu sehen. Er spähte durch ein Fenster und blickte in eine bäuerliche Stube. Alles war mit einer dicken Staubschicht bedeckt, auf dem Tisch stand noch ein Strauß vertrockneter Blumen, auf einem Stuhl lag ein grauer Filzhut. Er ging weiter zur doppelflügeligen Haustür und stellte anhand der Inschrift über dem Sturz fest, dass die Heiligen Drei Könige seit zehn Jahren einen Bogen um den Hof machten.
Er lauschte, aber außer dem Trommeln der Regentropfen und ab und zu einer Windböe war nichts hören.
Beobachtete Grenzebach ihn?
Schwarz drückte mit angehaltenem Atem die gusseiserne Klinke herunter. Es war nicht abgesperrt.
Er trat in den düsteren Flur. Zu seiner Rechten waren zwei niedrige Türen, links führte eine Stiege nach oben. Schwarz entschied sich für den ersten Raum. Es war die Vorratskammer. Auf dem groben Ziegelboden lagen leere Weinflaschen, in den Regalen standen verrostete Konservendosen und Weckgläserundefinierbaren Inhalts. Der Fäulnisgeruch war so intensiv, dass Schwarz die Tür schnell wieder zuzog.
Er überlegte. Wenn Grenzebach über einen einigermaßen intakten Geruchssinn verfügte, nutzte er wohl die obere Etage.
Er ging auf Zehenspitzen zur Treppe, doch als er den Fuß auf die erste Stufe setzte, gab sie ein langgezogenes Knarzen von sich. Falls Grenzebach im Haus war, hatte er ihn spätestens jetzt gehört.
Schwarz zögerte nicht und stieg nun geräuschvoll nach oben. »Hallo, ist da jemand?« Es blieb still.
Der Platz vor den Zimmern im ersten Stock war heller als der Flur unten, obwohl das einzige, teilweise zerbrochene Sprossenfenster vor Spinnweben fast blind war.
»Herr Grenzebach, sind Sie zu Hause?« Er riss die nächstbeste Tür auf und blickte auf ein Ehebett mit verblichenen Plumeaus. Das Schlafzimmer war ganz offensichtlich seit Jahren nicht mehr genutzt worden.
Zurück im Flur blieb Schwarz’ Blick an einem Kabel hängen, das mit einigen Lüsterklemmen an der gekalkten Wand befestigt war. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es ein Telefonkabel. Es war neu und führte zu einer Falltür direkt über ihm.
Die passende Leiter war hinter einem alten Schrank versteckt. Auf der dritten Sprosse verharrte Schwarz plötzlich. Schritte. Jemand ging auf dem Kiesweg ums Haus herum. Es war unüberhörbar, dass dabei ein Bein nachgezogen wurde. Schwarz hatte keine Zeit zu verlieren. Er drückte eilig die Falltür auf und zog sich am Rahmen hoch. An einem Sparren fand er einen Lichtschalter.
Das Dachzimmer war nur ein besserer Verschlag, aber es war bewohnt. Auf einem schmalen Bett lagen ein Schlafsack und ein Kissen. Daneben stand ein einfacher, nur auszwei Schragen und einer Spanplatte gebauter, Schreibtisch. Er hörte, dass der Computer lief, setzte sich und bewegte die Maus. Langsam baute sich das Bild auf dem Monitor auf. »Arbeitsplatz«, las Schwarz, »Festplatten«, »Wechseldaten träger «.
Grenzebach hatte Dateien von einem US B-Stick auf seine Festplatte gezogen. Dann war er unterbrochen worden und hatte es nicht mehr geschafft oder nicht für nötig gehalten, das Fenster zu schließen und den Stick abzuziehen.
Schwarz klickte das Symbol für den Stick an. Mehrere Icons tauchten auf, aber eines stach ihm sofort ins Auge. ›Out look ‹. Er öffnete das Programm: Achim Grenzebach hatte Thomas Englers Adressbuch, Terminkalender und dessen E-mails exportiert. Aber wozu?
Plötzlich hörte er Geschrei. Es waren zwei Männerstimmen, eine laute, autoritäre und eine leise, flehende. War Kolbinger bereits da und nahm Grenzebach fest?
Da fiel ein Schuss. Und ein zweiter.
46.
»Es war Notwehr. Notwehr!« Thomas Engler stand mit hängenden Schultern neben dem bäuchlings im Kies liegenden Körper. In der rechten Hand hielt er eine Walter P 38. Er zitterte. »Er – er hat mich angriffen. Ich wollte ihn nur fragen, ob ihm klar ist, was er meinem Vater angetan hat, und da ist er plötzlich auf mich losgegangen.«
Schwarz versuchte unauffällig, sich
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