Personenschaden
Engler ein Stück zu nähern, aber der richtete sofort die Pistole auf ihn. »Ver dammt , es war Notwehr! Haben Sie das verstanden?«
»Habe ich.« Ein Wasserguss lief ihm in den Nacken. DieRegenrinne über ihm war von Rost zerfressen. Er trat einen Schritt nach vorne.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!« Engler fuchtelte nervös mit der Pistole.
»Notwehr also? Aber wenn Sie nichts unternehmen, ist es unterlassene Hilfeleistung. Die Polizei wird sich fragen, warum Sie ihn haben sterben lassen.«
»Er ist tot.«
»Sind Sie sicher?«
»Er hat keinen Puls mehr.«
»Darf ich?«
Engler zuckte die Achseln. »Wenn Sie meinen.«
Schwarz kniete sich hin. »Und hören Sie auf, mich zu bedrohen, das passt nicht zu ihrer Notwehrthese.«
Engler starrte ihn an und ließ die Waffe langsam sinken.
Ein Rinnsal, in dem sich Blut und Regenwasser mischten, bahnte sich seinen Weg zwischen den Kieseln. Schwarz fühlte an der Halsschlagader. »Sie haben recht.« Er beugte sich über den Körper, um der Leiche ins Gesicht zu sehen, und erstarrte. »Das ist nicht Achim Grenzebach.«
»Was? Aber er hat doch eine Gehbehinderung, und er wusste sofort, wer mein Vater ist. Wer ist denn das, verdammt noch mal?«
Schwarz nahm der Leiche vorsichtig die Sonnenbrille ab und schaute in zwei kindlich erstaunte Augen. Mein Gott, dachte er, was hast du hier gesucht? Niemand hat verlangt, dass du den Helden spielst und dich umbringen lässt. Scheiße, wärst du doch in deiner virtuellen Welt geblieben.
»Wer soll das denn sein?«
Schwarz erhob sich seufzend. »Eigentlich heißt er Sven Achleitner.«
»Nie gehört.«
»Sie haben sich in seinem Forum als Abaddon zu Wort gemeldet.«
»Das ist … der Administrator?«
»Novalis.«
Engler schüttelte ungläubig den Kopf. »Und er hat wie Grenzebach eine Behinderung?«
»Nur eine Verletzung. Er wollte sich aus dem Fenster stürzen, aber er war zu ungeschickt.«
»Ein Selbstmordversuch?«
»Der Tod von Matthias Sass hat ihn fertiggemacht.«
»Er wollte also sterben?«
»Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen. Das entlastet Sie nicht. Und jetzt geben Sie mir die Pistole!«
Engler reagierte nicht. Er suchte offenbar fieberhaft nach einem Ausweg.
»Los, die Polizei wird gleich da sein.«
Engler zitterte am ganzen Leib, dann hielt er ihm kraftlos die Waffe hin.
»Andersherum, bitte. Wir wollen doch nicht, dass Sie gleich zweimal Notwehr geltend machen müssen.«
Nachdem Engler seine Waffe endlich abgegeben hatte, brach er zusammen. Er rutschte langsam mit dem Rücken die Wand hinunter, saß da zusammengekauert wie ein Embryo und biss sich schluchzend in die Faust.
Schwarz wandte sich ab. Warum, dachte er, sieht es bei manchen Männern so abstoßend aus, wenn sie heulen? Schneiden sie so groteske Gesichter, weil sie sich die Tränen eigentlich verbieten? Oder ertrage
ich
es nicht, wenn von einem so souverän auftretenden Menschen wie Engler nur noch ein Häufchen Elend übrig ist? Obwohl, so beeindruckt von ihm war ich auch wieder nicht.
Er griff zum Handy, um zu hören, wo Kolbinger blieb, doch der Schanzberghof lag in einem Funkloch.
»Und wo ist dann Grenzebach?«, fragte Engler mit dünner Stimme.
Schwarz reagierte nicht.
»Er wohnt doch hier?«
Richtig, wo war er? Hatte er alles stehen und liegen lassen, weil er wusste, dass man ihm auf der Spur war? Oder hatte er das, wonach er gesucht hatte, auf Englers PC gefunden? Ja, klar, das war es!
»Herr Engler, Sie arbeiten mit Outlook?«
»Ja.« Er schniefte.
»Und speichern täglich Ihre Termine?«
Er nickte.
»Wie ist es mit den Adressen?«
Er sah ihn verständnislos an.
Schwarz schrie jetzt. »Haben Sie auf Ihrem Computer die Klinikadresse gespeichert?«
»Sie meinen die Klinik, in der mein Vater …? Ja, schon.«
»Scheiße.«
»Herr Schwarz, wo wollen Sie hin?«
Er stieß ihn grob zur Seite. »Sie bleiben hier und warten auf die Polizei. Wenn Sie abhauen, wird man Ihnen noch weniger glauben.«
»Was ist denn mit meinem Vater?«
»Grenzebach ist auf dem Weg zu ihm.«
Schwarz lief mit dem Handy zur nächsten Anhöhe, aber auch dort hatte er keinen Empfang. Da hörte er ein Motorengeräusch. Die Polizei traf mit zwei Fahrzeugen ein. Im ersten saß Kolbinger. »Anton, wie schaust du denn aus?«
Schwarz sah an sich hinunter. Die nasse Kleidung klebte an seinem Körper, seine Hosen waren mit Dreck verschmiert.
»Du holst dir ja den Tod. Willst du meine Jacke?«
Schwarz schüttelte den Kopf und deutete Richtung
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