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Perth

Perth

Titel: Perth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Martin
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einem Kampf zugezogen hatte; dann erkannte er die Buchstaben. Aber er deutete sie falsch und las »PEG«, daher rief er sie immer so.
    Das Bemerkenswerteste war, dass Perth nie nach einem Mitglied dieser Familie schnappte. Sie schien zu begreifen, dass dies nun ihr Zuhause war, ihr sicherer Hafen. Robert hatte keine Angst vor ihr. Trotzdem hielt sie das nicht davon ab, hin und wieder nach Campern zu schnappen. Sie biss nie jemanden, aber nach etwa einem Monat beschwerten sich einige Camper, dass sie, wie es ihr beliebte, über den Campingplatz ging, ihre Zähne zeigte und schnappte, wenn ihr jemand zu nahe kam, und dadurch signalisierte »bleib mir fern«. Solange sich die Camper nur bei Mr. Desmond beschwerten, war es kein Problem. Er warnte Neuankömmlinge einfach, dass sie Perth nicht anfassen sollten, und ignorierte die Beschwerden. Aber eines Tages erzählte einer der Camper dem Besitzer des Campingplatzes von dem schwierigen Hund. Dieser konnte Hunde nicht leiden und ermahnte Desmond, Perth unter Kontrolle zu halten. Sollte es weitere Beschwerden geben, so drohte er erbost, würde er dafür sorgen, dass die Polizei sie mitnahm und tötete. Er war sehr nahe dran, das zu tun. Emile Desmond hatte keine andere Wahl und musste Perth daran hindern, frei herumzulaufen, außer auf der anderen Seite des Sees und in den Hügeln. Häufig ließ er sie einfach im Auto, womit sie zufrieden war. Der Besitzer murrte zwar, ließ die Sache aber auf sich beruhen.
    So vergingen die Wochen, und das Erntedankfest kam näher. Wir wissen nicht, ob Perth jemals an Cindy und mich gedacht hat oder ob sie jede Hoffnung aufgegeben hatte, uns jemals wiederzusehen. Träumte sie von uns? Waren Nordvermont, die sie umgebende Wildnis, ihr neues warmes Zuhause und die Liebe, die ihr entgegengebracht wurde, genug, um die Erinnerung an ihre ersten sechs Jahre bei uns auszulöschen? Oder wartete und hoffte sie immer noch darauf, den Klang unserer Stimmen zu hören, unseren lauten Ruf in der Luft »Hier, Perth«, mit der Betonung auf »Hier«? Wie oft dachte sie, sie habe es gehört? Wenn sie mit Mr. Desmond in die Stadt fuhr, blickten ihre Augen dann sehnsüchtig und erwartungsvoll umher, um uns zu entdecken? Hob eine weibliche Stimme, die Cindys ähnelte, plötzlich ihre Stimmung? Sah sie beim Anblick einer großen Gestalt wie meiner hoffnungsvoll in das Gesicht des Fremden, um herauszufinden, ob ich es sein könnte?
    Eines Tages Mitte November, als Mr. Desmond gerade in der Stadt war, kam ein alter Freund schlurfend mit einer Pfeife im Mund auf ihn zu.
    »Hallo, alter Freund, es iss wegen deinem Hund«, sagte er und sah sich suchend nach ihr um, aber sie war zu Hause geblieben. »Haste schon das Plakat im Supermarkt gesehn ? Es geht um einen vermissten Hund. Es hängt schon ‘ne ganze Weile dort. Das Bild von dem Hund sieht haargenauso aus wie dein Beagle, der Streuner , der dir zugelaufen ist. Haste mal in sein linkes Ohr gesehn ? Da steht, dass der Hund ‘ne Tätowierung hat, die Buchstaben PEM. Iss doch komisch, oder? Jedenfalls ham die Besitzer ‘ne Belohnung von hundert Dollar für ihn ausgesetzt. Glaubst du, dass du ihren Hund hast? Du solltest mal in sein Ohr schaun . Es iss bald Weihnachten. Einhundert Dollar, das iss ‘ne Stange Geld .«
    »Ach was, das kann nicht sein. Wir haben den Hund schon so lang. Aber wo war das Plakat noch mal ?« Sie gingen in den Supermarkt, um es sich anzusehen.
    »Sieh mal einer an«, flüsterte Mr. Desmond, als er Perths Foto auf dem Plakat sah. »Der iss ihr wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber alle Beagles sehn doch so aus, oder ?«
    »Du wärst reich .«
    »Mein Hund hat ‘ne Tätowierung, aber da steht PEG, nicht PEM. Ich möchte den Hund sowieso nicht hergeben. Mein Junge wär traurig .«
    »Schau auf alle Fälle nochmal in sein Ohr. Hundert Mäuse sind hundert Mäuse. Da kann man nicht meckern. Und bald iss Weihnachten .«
    Als er nach Hause kam, ging Mr. Desmond sofort zu Perth und sah in ihr Ohr. Die Tätowierung war ausgebleicht, aber es war eindeutig: Dort stand PEM. Er war niedergeschlagen. Es gab keinen Zweifel. Peg hieß in Wahrheit Pem und sie gehörte jemand anderem, jemandem, der sie schmerzlich vermisste und bereit war, hundert Dollar für ihre Rückgabe zu bezahlen. Aber er würde sich nicht von ihr trennen. Er liebte sie und das tat auch sein Sohn. Der Hund gehörte jetzt ihm. Wenn er ihn nicht gerettet hätte, wäre er jetzt tot. Und außerdem war er glücklich bei ihnen.

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