Pesch, Helmut W.
Halsband Brisingamen, weil es aus freien Stücken gegeben wurde, und Freya trug es lange Jahre in Walhall, zu ihrem Ruhme und zur Freude der Götter.«
Keiner wagte, etwas zu sagen, obwohl Siggi und Gunhild viele Fragen auf den Lippen brannten. Vor allem in Gunhilds Kopf wirbelten die Gedanken. Dieses Halsband? Ein Erbstück aus dem Reich der Sagen und Legenden? Sie berührte das Metall an ihrem Hals; es fühlte sich warm an, keineswegs kalt, wie Gold sonst war, aber es war hart, konkret, wirklich. Doch wenn das alles wirklich so war, dann …
Sie führte den Gedanken nicht zu Ende. »Wir müssen weiter«, sagte Laurion, der ebenfalls ergriffen geschwiegen hatte. Er beugte das Knie vor der Königin, und die anderen Lios-alfar taten es ihm gleich. Siggi machte eine Verbeugung, weil ihm ein Kniefall irgendwie komisch vorgekommen wäre, aber Gunhild brachte einen regel-rechten Knicks zustande, was er ihr gar nicht zugetraut hätte. Nur der Alte gab kein Zeichen der Ehrerbietung von sich, als sie sich wortlos zurückzogen.
Als die Gruppe die Kristallgrotte bereits verlassen hatte, hörten sie noch einmal ihre Stimme. »Lass dein Herz sprechen, Einauge.
Gefühle und Weisheit sind nicht immer eins. Höre auf die Stimme deines Herzens.«
Der Graue knurrte unwillig. Siggi sah, wie sich die Miene des Alten für einen Moment verfinsterte, doch wie immer ging dieser Eindruck schnell vorbei, und wäre da nicht das fortwährende Zucken unter der Lederhaut des toten Auges, könnte man meinen, den Grauen ging das alles nichts an.
Gunhild konnte nicht von ihrem Geschmeide lassen. Ständig be-rührte sie es oder sah an sich herunter.
Es war schön. Mit einem Mal war ihr bewusst, dass sie noch nie etwas so Schönes besessen hatte. Sie hatte auf Schmuck und solche Dinge nie besonderen Wert gelegt, aber jetzt hatte sie das Gefühl, als ob das Halsband auch sie schön machte, schöner, als sie je gewesen war. Und auch das hatte für sie eigentlich bislang nie eine Rolle gespielt.
Gunhild blickte auf. Die Lios-alfar sahen sie an. Da war ein Funkeln in den Augen der Männer, das sie nicht zu deuten vermochte.
Es war nicht feindselig, und es war ihr in keiner Weise unangenehm.
Und doch. Diese Geschichte …
»Vorsicht!«, mahnte Laurion. »Hier wird es eng.«
Ein Teil des Ganges war eingestürzt, die Trümmer versperrten den halben Gang. Sie mussten über das Geröll klettern, um ihren Weg fortsetzen zu können.
Galant reichte Laurion Gunhild die Hand, und diese ergriff, ohne nachzudenken, die dargebotene Hilfe, obwohl sie sich genauso gut auf ihren Speer hätte stützen können.
»Danke«, murmelte sie.
»Bitte, stets zu Diensten«, entgegnete Laurion förmlich und lä-
chelte, aber es war nicht der Schalk, der in seinen Augen glänzte, sondern etwas, das Gunhild unbekannt war.
Sie setzten ihren Weg fort, Laurion hatte die Spitze übernommen, der Graue hielt sich dicht auf seinen Fersen, ihm folgten Siggi und Gunhild. Danach kamen die fünf Lios-alfar, die ihnen helfen sollten, Hagen aus den Klauen der Schwarzalben zu befreien.
Als Siggi an die gesichtslosen Jäger dachte – die Worte der Königin vom ›Gewimmel der verkrümmten Sklaven‹ waren ihm nicht aus dem Kopf gegangen –, griff er unwillkürlich nach seinem Hammer. Diesmal würde er nicht weglaufen, sondern es so halten, wie Laurion gesagt hatte. Wiederkehren und es ihnen im Kampf zeigen.
Er hatte nun eine Waffe und immer noch sein Geheimnis. Es war ihm gelungen, den Ring unauffällig in einen Lederbeutel zu schmuggeln, der am zum Lederwams gehörenden Gürtel hing.
Unauffällig tastete er nach dem Goldreif, der schwer an ihm zog, aber das Gewicht war spürbar leichter geworden. Vielleicht gewöhne ich mich daran, dachte Siggi, und er hoffte, das es so war.
Auf jeden Fall fühlte Siggi sich selbstsicher. Der Ring und der Hammer, das war seine Chance, es den Schwarzalben heimzuzahlen!
Plötzlich hielt der Graue an, als hätte er sich an etwas Dringendes erinnert, das er noch erledigen müsste.
»Ich werde euch hier verlassen«, verkündete er ohne Vorwarnung.
»Hast du wieder eigene Pläne, Alter?«, fragte Laurion spöttelnd.
»Das geht dich nichts an!«, meinte der Graue, um dann versöhnlicher fortzufahren: »Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen.«
»Tu, was du willst«, sagte Laurion lapidar.
Grußlos verschwand der Graue in einem abzweigenden Gang, der, so schien es Siggi, nach unten führte.
Sie sahen dem Grauen nach, wie er im Zwielicht des
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