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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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heran, und für einen Moment bildeten die drei eine Einheit.
    In Siggis Augen erneuerten sie den Pakt, den sie auf dem Felsen geschlossen hatten, als sie auf den Rhein heruntersahen und eigentlich zum ersten Mal gemerkt hatten, dass sie Freunde waren. Siggi war Alberich sogar fast dankbar; denn er hatte dieser Freundschaft einer Probe unterzogen, an der sie sich bewähren konnte.
    Hagen, Gunhild und er hatten diese Probe bestanden. Kein Traum von Macht und Einfluss hatte über das triumphiert, was sie zu Menschen machte. Im Grunde war das, was ihn mit Hagen verband, von viel größerem Wert als der Ring im Beutel an seinem Gürtel.
    »Und nun?«, fragte Gunhild erleichtert. Sie fragte nicht, was mit Hagen geschehen war. Der Bann, unter dem sie selbst gestanden hatte, war nun endgültig verflogen. Und ähnlich, sagte sich Gunhild, musste es auch Hagen und Siggi ergangen sein. Es war einfach gut, dass sie wieder frei waren und zusammen, zu dritt, hier im Herzen der Welt.
    Unter ihren Füßen erzitterte der Boden.
    Es war, als ob in den Tiefen der Erde, weit, weit unter ihnen, wo die Feuer von Muspelheim am heißesten waren, ein mächtiges Wesen sich regte. Es war wie ein gewaltiges Tier, das gefangen war und sich nun, nach endlosen Jahren der Qual, gegen seine Fesseln aufbäumte. Unzerstörbare Bande schnitten in unirdisches Fleisch; Blut, das wie Feuer lohte, strömte aus unsäglichen Wunden. Und dann war es frei.
    »Endlich frei!«
    Der Schrei der Freiheit wurde zum Schrei des Todes, als ein auf-loderndes Flammenmeer ihn erstickte, und verebbte in einem Ächzen. Mit einem Aufbrausen wie ein Orkan fegte der Feuersturm alles hinweg, was sich ihm in den Weg stellte, raste empor durch Schächte und Kamine, mit einem dröhnenden Ton, der wie eine Fanfare des Untergangs durch die Anderswelt hallte.
    Das Horn von Ragnarök.
    In den Gängen flackerte es von einem rötlichen Feuerschein.
    »Machen wir, dass wir wegkommen«, sagte Siggi. »Wir müssen hier raus.«
    »Über uns tobt die letzte Schlacht zwischen den Swart-alfar und Lios-alfar«, wandte Hagen ein, »und es wäre nicht gut, wenn wir da hineingeraten.«
    »Aber hier können wir nicht bleiben, so schön es ist«, sagte Gunhild ernst. »Ich glaube nicht, dass dies alles hier noch lange Bestand hat.«
    »Kommt jetzt, schwingt keine Reden«, meinte Siggi. »Die Nacht dauert auch in der Anderswelt nicht ewig, und wir müssen noch den Ausgang suchen.«
    Sie wandten sich dem nach oben weisenden Gang zu, der aus der Grotte führte. Siggi hatte wie selbstverständlich die Spitze übernommen. Mjölnir in der Faust, gefolgt von Gunhild, und Hagen deckte ihren Rücken. Sie waren bereits ein Stück in den Gang ein-gedrungen, als sie hinter sich ein Geräusch hörten.
    »Achtung!«, zischte Hagen.

    Wie auf ein Kommando warfen sich alle drei herum, und pressten sich gegen die Wände, als wollten sie mit dem grauen Stein ver-schmelzen. Ihr Blick ging zurück in die Grotte.
    Sie sahen Walvater Odin, der in die Grotte kam.
    Er sah fürchterlich aus. Offensichtlich war er mitten in die Kämp-fe der Alben geraten. Seine Kleidung war zerrissen, und das Gewand färbte sich dunkel von Blut. Er taumelte mehr, als er ging, und sein Ziel war die Quelle. Dort lag das, was er am meisten begehrte; was einst durch einen einzigen Hieb zerstört wurde; was neu geschmiedet, aber ihm verweigert worden war.
    Der Runenspeer.
    Das Zeichen seiner Macht.
    Odin stürzte. Einen Moment lag er völlig reglos da, dann raffte er sich wieder auf und kroch auf Händen und Knien weiter. Er stöhn-te vor Schmerzen; roter Schaum stand ihm vor dem Mund, aber dann lachte er plötzlich irre auf; ein Lachen, das zu einem Husten wurde. Der Speer war sein Ziel, der Speer des Schicksals, der ihm selbst zum Schicksal geworden war. Nichts anderes beseelte ihn mehr, nur noch die Gier danach und der Wille, ihn in Besitz zu nehmen.
    Das Licht in seinem Auge wurde schwächer und schwächer, und doch hielt ihn sein eiserner Wille am Leben. Dann versagten ihm seine Arme den Dienst. Er sackte auf dem Boden zusammen und lag reglos da.
    Blut färbte den Boden der Grotte, sammelte sich zu einer Lache.
    Doch Odin gab nicht auf. Zwei Armeslängen war er nur noch entfernt von dem Ziel seiner Wünsche. Mit letzter Kraft krallte er sich in den kristallenen Fels, zog sich in seinem eigenen Blute noch ein Stück weiter. Und lag still.
    Eine endlos scheinende Zeitspanne geschah gar nichts.
    Dann ging ein Zucken durch Odins Arm.
    Langsam,

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