Pestmond (German Edition)
und in einer Sprache, von der er annahm, dass Kasim sie nicht verstand. »Es könnte sein, dass du recht hattest.«
»Du wirst das in Ordnung bringen. Augenblicklich!« Ohne ihn anzusehen, fragte Abu Dun in derselben Sprache Andrej: »Womit?«
»Da war tatsächlich etwas.«
Kasim wollte sich erheben, doch Abu Dun streckte die gesunde Hand aus und drückte ihn unsanft zurück. Gleichzeitig machte er eine Bewegung mit der anderen, als wollte er ihm den ausgestreckten Finger wie einen eisernen Dorn ins Auge rammen. »Jetzt sofort!« Zu Andrej sagte er: »Und was soll da gewesen sein?«
»Ein Schiff«, antwortete Andrej. »Aber nicht dasselbe, das du gesehen hast. Hasan meint, es könnten Piraten sein.«
Kasim versuchte sich noch einmal halbherzig loszumachen, griff dann wieder nach seinem Werkzeug und bettete Abu Duns eiserne Hand so in seinen Schoß, dass der Nubier nicht sehen konnte, was er tat.
»Piraten«, wiederholte Abu Dun. »Dann wird die Fahrt ja vielleicht doch nicht so eintönig.«
»Ich frage mich, wie er auf diese Idee kommt«, sagte Andrej. »Wo doch angeblich niemand weiß, wer er ist und dass wir an Kreta vorbei auf Italien zuhalten.«
Abu Dun drehte den Kopf hin und her, um zu sehen, was Kasim an seiner Hand tat, doch der Araber beugte sich nur noch tiefer. Ein leises Klicken und Klappern war zu hören, dann ein Surren wie von winzigen Zahnrädern. »Was ich gesehen habe, war kein Piratenschiff«, beharrte Abu Dun. »Es war eine Caravelle. Ein prachtvolles Schiff … ein prachtvolles Schiff mit vielen Kanonen, nebenbei bemerkt.«
Andrej bezweifelte, dass selbst Abu Duns Augen scharf genug waren, dieses Detail über eine so große Entfernung hinweg zu erkennen. Außerdem hatte Abu Duns Stimme schon fast hoffnungsvoll geklungen. »Vielleicht war es ja doch nur ein Zufall. Oder ich habe mich getäuscht.«
»Nicht einmal eine Schiffe hassende Landratte wie du würde eine Caravelle mit einem Küstenschoner verwechseln«, sagte Abu Dun. »Was tust du da eigentlich?«
Die letzten Worte galten Kasim, der ihn unwillig anraunzte: »Halt still!« Abu Dun schnitt eine Grimasse, doch er gehorchte und musterte Andrej nachdenklich. Vielleicht auch ein wenig feindselig. »Und? Hast du unseren Wohltäter und Beschützer gefragt, was er davon hält?«
»Selbstverständlich.«
»Du sollst stillhalten, habe ich gesagt!«, polterte Kasim. »Wenn du weiter so zappelst, bist du selbst schuld, wenn es misslingt!«
Abu Dun hatte seine Hand nicht um einen Millimeter bewegt, doch er verzichtete zu Andrejs Erstaunen darauf, Kasim zurechtzuweisen, sondern sagte: »Auch wenn ich mich dieses Gedankens fast schon schäme, nach allem, was er in seiner uneigennützigen Güte für uns getan hat, so beginne ich mich doch zu fragen, ob unser großer Wohltäter vielleicht Geheimnisse vor uns hat.«
»Vielleicht sollten wir ihn einfach fragen«, sagte Andrej.
Kasim straffte die Schultern und sprang auf. »Fertig«, rief er zufrieden.
Abu Dun starrte aus hervorquellenden Augen auf seine Hand hinab, und auch Andrej blinzelte ein paarmal und beugte sich weiter vor, um sich zu vergewissern, dass er richtig sah.
»Ka … sim?«, krächzte Abu Dun.
»Sobald wir an Land sind, richte ich es endgültig«, sagte Kasim. »Hier und jetzt ist das alles, was ich zu tun vermag. Schließlich bin ich Künstler und kein Schmied!« Und damit warf er den Kopf in den Nacken und ging.
»Kasim?«, krächzte Abu Dun noch einmal, und Andrej hatte Mühe, nicht laut loszulachen.
»Kasim.« Abu Dun holte tief Luft. Dann brüllte er so laut, dass man es noch bis nach Jaffa hören musste: »Kasim!«
Kapitel 18
A bu Dun hatte Kasim dann doch nicht die Gurgel umgedreht, was aber einzig daran lag, dass es dem ehemaligen Hufschmied irgendwie gelungen sein musste, sich unsichtbar zu machen oder auf die Größe einer Maus zusammenzuschrumpfen, um sich in den Ritzen der Deckplanken zu verstecken. Möglicherweise war er ja auch kurzerhand über Bord gesprungen und schwamm nun in sicherer Entfernung hinter dem Schiff her – was, fand Andrej, durchaus eine akzeptable Alternative zu einer Begegnung mit dem tobenden Abu Dun darstellte. Andrej wollte nicht in Kasims Haut stecken, wenn der Nubier ihn zu fassen bekam.
Mehrmals hatte Abu Dun das Schiff vom Bug bis zum Heck durchsucht, die wüstesten Drohungen ausstoßend, und dass jedermann zu feixen begann oder doch zumindest sichtbar um Fassung rang, wenn er seine rechte Hand sah, steigerte seine Wut nur
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