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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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provisorisch gespannten Zeltplane wenigstens die Illusion von Privatsphäre genießen konnten, war es nicht sonderlich schwer, den Nubier zu finden. Vermutlich wäre es ihm auch mit geschlossenen Augen oder bei vollkommener Dunkelheit gelungen, denn Abu Dun hatte seinerseits Kasim gefunden, und wie stets, wenn die beiden aufeinandertrafen, ging es alles andere als leise zu. Andrej war nahe daran kehrtzumachen und sich Hasans Missbilligung zu stellen, aber dann siegte doch seine Neugier.
    »… diesen Bedingungen«, sagte Kasim gerade. »Mein Herr hat mich gewarnt, dass du ein grober Klotz bist und die Arbeit anderer mit Füßen zu treten pflegst. Ich habe ihm Treue und Gehorsam geschworen, aber ich habe auch Augen im Kopf, um zu sehen, wie …«
    »Kannst du es reparieren oder nicht?«, unterbrach ihn Abu Dun.
    Leise ging Andrej näher und sah, dass sich Kasim über Abu Duns künstliche Hand gebeugt hatte und mit etwas daran zu schaffen machte, das ihm im Halbdunkel wie das Werkzeug eines Hufschmiedes vorkam.
    »Es gibt nur sehr wenig, was ich nicht reparieren kann«, antwortete Kasim in beleidigtem Ton. »Ich frage mich nur, wozu. Ich schenke dir das größte mechanische Wunderwerk, das diese Welt jemals gesehen hat, und du benutzt es, um Wände damit einzuschlagen? Was wirst du als Nächstes damit tun?«
    »Red noch ein bisschen weiter, und du findest es heraus«, sagte Abu Dun lächelnd.
    Kasim schnaubte nur verächtlich und beugte sich tiefer über die mechanische Hand. Etwas klickte, worauf Kasim mit einem zufriedenen Grunzen und Abu Dun mit einer Grimasse reagierte, als wäre ihm gerade ein Backenzahn gezogen worden.
    »Kann ich irgendwie behilflich sein?«, bot sich Andrej an.
    »Ich bin schon fast fertig«, sagte Kasim.
    »Du könntest diesen Kerl kielholen lassen«, sagte Abu Dun. »Längs des Schiffes, nicht quer. Und schön langsam, damit er es auch genießt.«
    »Ja, das ist genau die Art von Dankbarkeit, die ich von einem wie dir erwartet habe.«
    »Einem wie mir«, wiederholte Abu Dun. »Was genau meinst du mit: einem wie mir?«
    »Das hat er gewiss nicht so gemeint«, sagte Andrej.
    »Doch«, sagte Kasim. »Genau so habe ich es gemeint … fertig.« Er richtete sich mit einem zufriedenen Laut, der von einem weiteren, noch lauteren Klicken begleitet wurde, weiter auf. »Das sieht doch schon ganz gut aus, meine ich.«
    Neugierig beugte Andrej sich vor und zog die Stirn kraus. Auch Abu Dun neigte sich vor, riss dann die Augen auf und ließ ein Japsen hören. Sein kleiner Finger stand jetzt nicht mehr schräg von seiner Hand ab. Kasim hatte ihn entfernt und die offene Stelle mit einem schwarzen Metallplättchen wie mit einem archaischen Verband verschlossen. Den Finger selbst hielt er wie etwas sehr Kostbares in der Hand, trotz seines desolaten Zustandes.
    »Was …«, keuchte Abu Dun, »… hast … du … getan?«
    »Hast du nicht gesagt, dass er dich stört?«
    »Schon, aber …«
    »Ich kann ihn nicht reparieren«, sagte Kasim. »Nicht hier und ohne die richtigen Werkzeuge und Materialien.«
    »Aber jetzt sind es nur … nur noch … drei!«, rief Abu Dun.
    »Also immerhin noch drei Finger, die du zerstören kannst«, versetzte Kasim schnippisch. »Sobald wir unser Ziel erreicht haben, kümmere ich mich darum und setze sie wieder instand. So lange musst du eben mit drei Fingern vorliebnehmen … auch wenn für das, wofür du dieses Kunstwerk vermutlich missbrauchst, wohl auch zwei Finger ausreichen werden. Ich hätte dir einen schönen stabilen Haken bauen sollen!«
    Andrej war nicht sicher, ob Kasim wirklich wusste, was er tat. Deshalb sagte er rasch: »Es könnte sein, dass du recht hattest, Pirat.«
    Abu Dun ignorierte ihn. »Du glaubst doch nicht etwa wirklich, dass ich dich noch einmal an meine Hand lasse.«
    »Deine Hand?«, polterte Kasim.
    »Meine Hand. Wenn du dich das nächste Mal darüber hermachst, dann habe ich danach vermutlich nur noch zwei Finger. Oder einen!« Er bog den Zeigefinger seiner eisernen Hand gerade, sodass er wie ein einzelner Spieß aus einer noch nicht fertiggestellten Stachelkeule ragte. »Und jetzt rate doch mal, was ich damit tun würde.«
    »Abu Dun«, sagte Andrej.
    Der Nubier ignorierte ihn weiter. »Wenn du mir mit deinen Folterwerkzeugen auch nur noch einmal nahe kommst, dann zeige ich dir, was man mit einer richtigen Hand anfangen kann«, grollte er. »Aber es wird dir nicht gefallen, das prophezeie ich dir jetzt schon!«
    »Abu Dun«, sagte Andrej noch einmal

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