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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine Chance, auch wenn sie klein war. Wenn Abu Dun und er die Ungeheuer losließen, die sie tief in sich gefangen hielten, welche Chance hatte dann selbst ein Schiff voller sterblicher Menschen? Sie waren Vampyre, auch wenn sie ihr wahres Selbst schon so lange unterdrückten, dass sie es manchmal beinahe vergaßen. Und warum zögern? Dieses Schiff war voller Fleisch, in das sie ihre Zähne schlagen, und heißem Blut, das sie trinken und an dessen Kraft sie sich laben konnten, und sie hatten jedes Recht der Welt, sich zu verteidigen. Schließlich hatten diese Männer sie angegriffen, und nicht umgekehrt.
    Etwas in Abu Duns Blick änderte sich. Da war mit einem Male Sorge.
    »Geh ans Ruder«, sagte Andrej rasch, bevor Abu Dun etwas aussprechen konnte, dass er nicht vor Ali und seinem rätselhaften Herrn bereden wollte. »Ich schicke ein paar Männer an die Segel und hoffe, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen.«
    Abu Duns Miene zeigte deutlich, was er von diesem Vorschlag hielt, doch er zuckte nur müde mit den Schultern und stieß sich an der Bordwand ab, um Andrejs Aufforderung nachzukommen. Dann machte er jedoch noch einmal kehrt, sah zur brennenden Caravelle und streckte die gesunde Hand aus, um damit unter Hasans Mantel zu greifen und das Fernrohr aus dem Gürtel zu ziehen. Eher überrascht als erschrocken griff Hasan nach seiner Hand, und Alis Rechte landete mit einem hörbaren Klatschen auf dem Schwertgriff, während seine andere Hand vorschoss, um den Arm des Nubiers zu packen.
    Andrej war schneller. Blitzartig packte er Alis Handgelenk und riss es zurück. Ali versuchte sich loszureißen und funkelte ihn zornig an, während er gleichzeitig die Waffe zu ziehen versuchte. Doch Andrej verstärkte den Druck auf sein Gelenk, nicht genug, um ihn zu verletzen, aber mehr als ausreichend, um ihn die Warnung verstehen zu lassen.
    »Ali!«, sagte Hasan scharf.
    Alis Schwert glitt scharrend um zwei oder drei weitere Fingerbreit aus der Scheide und dann mit einem Klirren wieder zurück. Die Spannung wich aus seinem Körper, doch der Zorn in seinem Blick blieb. Auch Andrej lockerte seinen Griff, jedoch ohne ihn loszulassen.
    Abu Dun tat so, als hätte er von alledem nichts mitbekommen, ließ das Fernrohr aus dem Handgelenk nach vorne schnellen, sodass es mit einem metallischen Knirschen auseinanderfuhr (Hasan zog eine Grimasse, als fügte ihm die Behandlung, die der Nubier dem empfindlichen Instrument angedeihen ließ, körperlichen Schmerz zu) und setzte das Glas an, um dann nicht direkt zu der brennenden Caravelle, sondern ein kleines Stück weiter nach Backbord und in Richtung des Horizonts, der irgendwo in unbestimmbarer Entfernung mit dem Himmel verschmolz, zu blicken. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck höchster Konzentration, während er das Glas in kleiner werdenden Kreisen hin und her bewegte, bis es schließlich auf einen bestimmten Punkt fixiert war. Seinem Blick folgend lauschte Andrej mit all seinen Sinnen, und für einen unendlich kurzen Moment war es ihm, als spürte auch er dort etwas. Doch der Augenblick verging genauso schnell wieder, wie er gekommen war.
    »Was siehst du?«, fragte Hasan.
    Abu Dun antwortete nicht gleich, sondern setzte erst das Fernglas ab, rammte es gegen seine Hüfte, um es noch weiter zusammenzuschieben, als er es auseinandergezogen hatte, und gab es schließlich mit einem Kopfschütteln zurück. »Nichts.«
    »Dafür, dass da nichts ist, bist du …«, begann Ali und brach dann mitten im Satz ab, als Abu Dun zornig zu ihm herumfuhr und sich ein Stück vorbeugte, sodass sich sein schwarzes Gesicht nun einen Fingerbreit vor dem seinen befand.
    »Da ist nichts. Ich dachte, ich hätte ein Schiff gesehen, aber ich muss mich wohl getäuscht haben.«
    »Ein anderes Schiff?«, vergewisserte sich Hasan und zog das Fernrohr wieder auseinander.
    »Nein«, erwiderte Abu Dun, ohne sich zu rühren oder dass sein Blick den Alis losgelassen hätte. Für einen erstaunlich langen Moment hielt Ali dem Starren des Nubiers sogar stand, doch schließlich wich er nicht nur einen Schritt vor ihm zurück, sondern nahm auch die Hand vom Schwert. Möglicherweise, dachte Andrej, sorgte er auf diese Weise sogar dafür, dass er sie behielt, auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst war.
    Hasan hob das Fernrohr ans Auge und trat so dicht an die Bordwand heran, dass Andrej schon glaubte, er müsste ihn im nächsten Moment aus dem Wasser fischen. »Wenn da wirklich ein anderes Schiff ist, dann

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