Pestmond (German Edition)
helfen sie uns vielleicht«, flüsterte er, als hätte er Angst, das Schicksal herauszufordern, wenn er seiner Hoffnung zu laut Ausdruck verlieh. »Seeleute halten zusammen, wenn es gegen Piraten geht, oder?«
»Seit wann?«, erkundigte sich Abu Dun. »Und seit wann tragen Piraten Uniformen? Das sind doch wohl eher Solda…«
»Wir müssen ihnen ein Zeichen geben!«, schnitt ihm der Alte vom Berge aufgeregt das Wort ab. »Eine Laterne! Eine Fackel! Irgendetwas! Schick einen der Männer auf den Mast, Ali!«
»Wenn du auch nur einen Mann mit einem glühenden Docht dort hinaufschickst, reiße ich ihm persönlich den Kopf ab«, versprach Abu Dun.
Ali bedachte ihn mit einem Blick, unter dem jeder andere sofort zur Salzsäule erstarrt wäre, Abu Dun hingegen reagierte nur mit dem freundlichsten Lächeln, das man sich vorstellen konnte – doch Hasan beharrte weiter auf seiner Idee. »Wir müssen sie alarmieren! Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie tatenlos zusehen, wie hier Menschen umgebracht werden!«
»Und du bist ganz sicher, dass du ein Nachfahre des Alten vom Berge bist«, fragte Abu Dun verwundert, »und nicht der des Heiligen Franz von Assisi?«
Hasan ließ das Fernrohr sinken und sah den Nubier fast erschrocken an. »Wie … wie meinst du das?«
»Abu Dun wollte dich nicht beleidigen«, sagte Andrej rasch.
»Nein?«, fragte Abu Dun. »Wollte ich nicht?«
»Hüte deine Zunge, Schwarzer!«, sagte Ali. »Du weißt nicht, mit wem du sprichst!«
»Ich fürchte nur, es stimmt«, sagte Andrej hastig und mit einem flehenden Blick zu Abu Dun. »Seeleute stehen sich im Allgemeinen nicht gegen Piraten bei. Die Idee liegt nahe, aber meistens sind sie wohl eher froh, dass es den anderen trifft und nicht sie, fürchte ich.«
»Richtig«, bestätigte Abu Dun feixend. »Ich muss es wissen.«
»Wolltest du nicht das Steuer übernehmen?«, fragte Ali.
Abu Dun schenkte ihm nur ein noch herzlicheres Lächeln, überraschte Andrej dann aber, als er die Schultern hob und schlurfend zum Ruder strebte. Gewiss nicht durch Zufall stieß sein Fuß dabei gegen eines der mit Öl gefüllten Tongefäße, das klappernd über Bord rollte. Ali machte ein finsteres Gesicht.
»Sie würden uns sowieso nichts mehr nutzen«, sagte Hasan rasch. Andrej schüttelte stumm den Kopf. Hasan fügte mit einer Geste auf das umgestürzte Weidenkörbchen hinzu, das nur noch drei oder vier der improvisierten Granaten enthielt: »Denn das da ist alles, was wir noch haben.«
»Und eines auf dem Meeresgrund.« Diesen Kommentar konnte sich Ali natürlich nicht verkneifen.
Andrej überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, dass Abu Dun tatsächlich seinen Platz hinter dem zerschossenen Steuerrad eingenommen hatte und bereits damit begann, die nächstbesten Männer umherzuscheuchen, und nahm Hasan dann wortlos das Fernrohr ab, allerdings deutlich behutsamer, als Abu Dun es zuvor getan hatte. Tatsächlich glaubte er, nachdem er es angesetzt hatte, ein-oder zweimal etwas zu sehen, vielleicht ein Schiff, vielleicht eine Wolke, die ihn narrte, vielleicht auch … etwas anderes … aber es gelang ihm nicht, es zu fixieren. Vielleicht weil da nichts war.
Der Anblick der Caravelle war dafür umso beunruhigender. Das Schiff war noch immer nahe genug, um es mit bloßem Auge zu erkennen, doch was er durch das Glas sah, machte auch die winzigste Hoffnung wieder zunichte, die Hasans Worte aller Logik zum Trotz in ihm geweckt hatten.
An Deck des Schiffs brannte mittlerweile nur noch ein einziges großes Feuer, das von einer hinlänglich großen Anzahl Männer so geschickt bekämpft wurde, dass am Ausgang dieser Schlacht kein Zweifel aufkommen konnte. Noch während er hinsah, begannen sich die Geschützluken in rascher Folge zu schließen, zum Teil vermutlich, um vor einer weiteren Attacke auf diesem Wege sicher zu sein, aber wohl auch, um dem Brand unter Deck die Luftzufuhr abzuschneiden. Kurz darauf wurden metallene Schilde und nur hastig aus Holz zusammengezimmerte Barrikaden an der Reling aneinandergereiht, eine höchst abenteuerlich anmutende Konstruktion, die aber dennoch mehr als ausreichend war, um ein paar geworfene Tonkrüge mit brennendem Öl abzuwehren …
Andrej schob das Rohr zusammen und gab es Hasan zurück. Ihnen blieb noch weniger Zeit, als er geglaubt hatte.
»Diese Männer wissen, was sie tun«, sagte Ali finster. »Dumm, dass ich nur noch drei feuerspeiende Tonkrüge habe …«
»Tonkrüge können sowieso nichts gegen Kanonen
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