Pestmond (German Edition)
zusammen. »Weil es ja ein so typisch arabisches Schiff ist, nicht wahr?«
»Nein, aber das muss nichts bedeuten«, erwiderte Andrej. Er hörte sogar selbst, wie hilflos er klang.
»Natürlich nicht«, sagte Abu Dun. »Verzeiht, dass sich Euer unwürdiger Diener erdreistet hat zu denken, Sahib! Für einen Moment hätte er fast vergessen, dass Ihr dafür zuständig seid und er nur der Mann fürs Grobe ist.«
»Ich sage ja nicht, dass du unrecht hast«, antwortete Andrej. »Nur, dass jetzt nicht der richtige Moment ist, um darüber nachzudenken.«
»Oder vielleicht darüber, was uns in Rom erwarten könnte, wenn sie sich schon die Mühe machen, uns ein solches Schiff entgegenzuschicken«, sagte Abu Dun.
Andrej sah ihn zweifelnd an. Die führende Handelsmacht Venedig und der Kirchenstaat mit Rom als machtpolitischem Zentrum waren zwar Nachbarn im zersplitterten Italien, aber keineswegs so gut befreundet, wie in großen Teilen der Welt angenommen wurde, was Abu Dun auch wusste. Sie schwiegen eine Weile.
»Auch Hasan kann nicht daran gelegen sein, sehenden Auges in eine Falle zu laufen«, beharrte Andrej. »Ich habe ihn beobachtet und Ali auch. Sie waren genauso bestürzt wie wir, als dieses Schiff aufgetaucht ist. Und Hasan würde Ayla niemals in Gefahr bringen. Du hast gesehen, wie er das Mädchen vergöttert. Von Ali gar nicht zu reden.«
»Ali?«
»Er ist Aylas Bruder«, sagte Andrej. »Habe ich das nie erwähnt?«
»Das muss mir bei einem unserer gemütlichen Schwätzchen entgangen sein.« Abu Dun hob die Schultern. »Was zum Teufel …?«
Sein Schrei ging beinahe in einem dumpfen Krachen unter, das durch die Nacht zu ihnen heranwehte, begleitet von einem fahl flackernden Blitz, der am Bug der Caravelle aufzuckte. Nur einen Moment darauf und erschreckend genau auf dem Kurs der Pestmond schoss eine fünfzig Fuß hohe Säule aus Wasser und kochendem Schaum aus dem Meer.
»Das war nahe«, sagte Abu Dun.
Ein zweiter Kanonenschuss krachte. Andrej meinte, ein unheimliches tiefes Summen zu hören und einen Schatten auszumachen, der schnell auf sie zuraste, und plötzlich war ein gutes Stück des Segels über ihren Köpfen einfach verschwunden. Dennoch hatten sie Glück. Die mit einer Kette verbundenen Eisenkugeln rissen zwar noch ein gewaltiges Stück aus der Bordwand am Bug, bevor sie im Wasser landeten, doch wenn sie den Mast getroffen hätten, hätten sie ihn zweifellos auf der Stelle gekappt, und ihre Flucht wäre vorbei gewesen.
»Nein, das war nahe«, sagte er.
»Dreht bei!«, schrie Ali mit sich überschlagender Stimme. »Ändert den Kurs, oder schlagt Haken, oder tut sonst etwas! Sie schießen auf uns!«
»Was für ein scharfsinniger Beobachter«, spöttelte Abu Dun. »Dass er das gemerkt hat …«
Andrej sah mit angehaltenem Atem zur Caravelle hin und zählte in Gedanken langsam bis fünf, dann bis zehn. Als er bei fünfzehn angekommen und noch immer kein weiterer Kanonenschuss gefallen war, wagte er es auszuatmen und schüttelte den Kopf.
»Worauf wartest du?«, schrie Ali. »Dass sie sich auf uns einschießen und der nächste Schuss trifft?«
»Sie brauchen sich nicht einzuschießen«, sagte Andrej. »Sie haben genau das getroffen, was sie wollten.«
»Was redest du da?« Ali fuhr mit einer zornigen Bewegung zu ihm herum und zog schon wieder halb das Schwert. »Ich habe dir gesagt …«
»Lass es gut sein, Ali«, unterbrach ihn Hasan, »Andrej hat recht: Es ist vorbei. «
»Aber …«
»Papst Clemens hat sich Dinge angemaßt, die ihm nicht zustanden«, unterbrach ihn Hasan fast sanft. »Er hat sich den schönen Künsten verschrieben, Dramen und Opern verfasst, statt sich um die Angelegenheit der Kurie zu kümmern. Er hat sich mit Spanien und Frankreich ins Bett gelegt, statt mit starker Hand in Italien für Ordnung zu sorgen. All dies und noch viel mehr gehört gesühnt – aliis non sibi clemens.«
Ali war vollkommen außer sich. »Wir können doch jetzt nicht aufgeben! Die Gefahr, die von den …«
Hasan schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. »Der Kampf ist nicht verloren, nur weil ich ihn nicht mehr führen kann. Du weißt doch genau, was in diesem Fall zu tun ist. Und jetzt Schluss damit! Lass eine weiße Fahne hissen. Ich werde mich ihnen ausliefern. Vielleicht verschonen sie ja eure Leben.«
»Niemals«, sagte Ali. »Das lasse ich nicht zu!«
»Ich weiß deine Treue zu schätzen, mein guter Freund. Aber ich werde nicht zusehen, wie du dein Leben und das deiner
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