Pestmond (German Edition)
Chance, wenn sie uns das nächste Mal entern. Niemand auf diesem Schiff wird überleben.«
»Auch ich nicht«, sagte Hasan ruhig.
»Sie wollen dich lebend«, erinnerte Andrej, war aber kein bisschen erstaunt, als Hasan nur den Kopf schüttelte. »Dann wäre das Opfer all dieser tapferen Männer umsonst gewesen. Und glaub mir, Andrej, die Konsequenzen wären entsetzlich, nicht nur für mich, sondern für unzählige unschuldige Menschen.«
»Ist Selbstmord bei euch ungläubigen Christenmenschen nicht eine Sünde?«, erkundigte sich Abu Dun.
»Ja, das ist es«, bestätigte Hasan. »Eine der schlimmsten überhaupt, denn niemand außer Gott hat das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Vielleicht wird meine Seele in der Hölle brennen müssen, doch ich bin gerne bereit, diesen Preis zu bezahlen, um so viele unschuldige Leben zu retten.«
»Und weil du so uneigennützig dein eigenes Seelenheil opferst, wird dir diese kleine Sünde auch gleich wieder vergeben«, sagte Abu Dun und kratzte sich mit der gesunden Hand am Schädel. »Ein guter Plan. Von euch Christen kann man tatsächlich noch das eine oder andere lernen.«
»So weit muss es nicht kommen«, sagte Andrej.
»Sondern?«, fragte Ali.
»Du weißt, was ich bin«, sagte Andrej, an Hasan gewandt. »Ich kann sie aufhalten.«
»Du allein?«, fragte Ali abfällig.
»Vielleicht kann ich sie sogar besiegen«, sagte Andrej ernst. »Aber wahrscheinlich nicht. Doch ich kann euch vermutlich genügend Zeit verschaffen, um zu entkommen.«
»Wir beide, um genau zu sein«, sagte Abu Dun.
Andrej ging nicht auf ihn ein. »Aber ich verlange eine Gegenleistung. Ich will dein Wort, dass du tust, was du mir angeboten hast, ob Abu Dun seinen Auftrag nun erfüllt oder nicht: Du wirst ihm das Gegengift geben, sobald ihr entkommen seid.«
»Andrej?«, fragte Abu Dun.
»Das kann ich nicht«, antwortete Hasan. »Ich habe nur einen kleinen Vorrat an Bord, gerade ausreichend für die Reise.«
»Dann, sobald ihr in Italien seid.«
»Ihr?«, fragte Abu Dun alarmiert.
Hasan schwieg einen Moment. »Es ist viel, was du von mir verlangst. Aber auch viel, was du bietest. Du wärst also wirklich bereit, dein Leben für das eines Freundes zu opfern?«
»Waren deine Männer nicht ebenfalls dazu bereit?«, fragte Andrej und wies mit dem Kopf zu den beiden Schiffen, die die Dunkelheit verschlungen hatte.
»Ich erwarte nicht, dass du das verstehst«, antwortete Hasan mit einem sonderbar väterlich anmutenden Lächeln. »Aber da gibt es einen großen Unterschied.«
»Ach?«, fragte Abu Dun.
»Du glaubst also wirklich, du ganz allein könntest dieses Schiff aufhalten?«, fragte Ali. Er versuchte abfällig zu klingen, aber Andrej sah ihm an, dass er unsicher war.
»Mit ein wenig Glück.«
»Und ein wenig Hilfe?«, fragte Abu Dun.
»Ihr habt ein Beiboot«, fuhr Andrej unbeirrt fort. »Ich werde es nehmen und der Caravelle entgegenrudern. Sie werden mich an Bord lassen, weil sie glauben, dass ich die Bedingungen der Kapitulation aushandeln möchte.«
»Und wenn nicht?«, fragte Ali.
»Gehen wir trotzdem an Bord«, sagte Abu Dun, bevor Andrej antworten konnte. »Es ist ein guter Plan. Und es ist nebenbei bemerkt mein Plan. Der Mann, den ich bisher für meinen Freund gehalten habe, ist ein Dieb.«
»Einer gegen hundert?«, fragte nun auch Hasan zweifelnd. »Ich weiß, was du bist, Andrej, aber diese Übermacht …«
»Zwei«, sagte Abu Dun.
Seufzend drehte sich Andrej zu ihm um und maß ihn mit einem langen Blick. »Du kannst mir nicht helfen. Und das weißt du auch.«
»Unsinn«, polterte Abu Dun. »Sogar mit einer Hand bin ich immer noch …«
Andrej rammte ihm ohne Vorwarnung den Handballen gegen die Brust, zwei Fingerbreit unter dem Herzen und so schnell, dass Abu Dun den Hieb nicht einmal kommen sah. Nach Luft schnappend sank der Nubier auf die Knie und kippte dann wie ein gefällter Baum auf die Seite.
»Nicht in deinem Zustand«, stellte Andrej fest.
Hasan wirkte einigermaßen betroffen, und auch Ali sah im ersten Moment verblüfft aus, doch dann verzog er verächtlich die Lippen. »So viel also zu eurer vermeintlichen Unverwundbarkeit«, sagte er böse. »Und du bist ganz sicher, dass du dieses Schiff allein aufhalten willst?«
Abu Dun röchelte, wälzte sich dann auf den Rücken und rang hustend nach Luft.
»Es ist die Kugel«, sagte Andrej. »Sie sitzt zu nahe am Herzen. Er wird sich erholen, und die Kugel wird sich einfach auflösen, aber das wird eine Weile
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