Pestmond (German Edition)
eine Atempause bekommen, mehr nicht.
Metall scharrte, als Abu Dun neben ihn an die Reling trat und das Fernrohr auseinanderzog, von dem Andrej hoffte, dass Hasan es ihm diesmal freiwillig gegeben hatte. Andrej blickte zum Heck hinunter, um sich davon zu überzeugen, dass Abu Dun das Ruder nicht unbesetzt gelassen, sondern einen der überlebenden Assassinen dort postiert hatte.
»Keine Sorge, Hexenmeister«, sagte Abu Dun, dem es nicht schwerfiel, seine Gedanken zu erraten. »Ich bin weder schlampig geworden, noch habe ich Lust, bis zur Küste zurückzuschwimmen.« Er sah weiter konzentriert durch das Glas, grummelte etwas, das Andrej nicht verstand, und reichte ihm dann das Fernrohr, ohne hinzusehen. Gehorsam setzte Andrej es an, doch viel konnte er auch so nicht erkennen. Die Mündungsblitze und Flammen rückten ein wenig näher, und dann und wann meinte er einen verschwommenen Umriss zu erkennen, ohne ihn identifizieren zu können.
»Sie haben keine Chance«, murmelte er. »Die hatten sie nie. Das ist Selbstmord.«
Abu Dun schüttelte den Kopf. »Sie opfern sich, Hexenmeister. Das war ihre Aufgabe.«
Andrej setzte das Glas ab und sah den Nubier fragend an. »Weißt du etwas, das ich nicht weiß, Pirat?«
»Ich habe Augen im Kopf, um zu sehen«, antwortete Abu Dun.
Andrej verstand und sah noch einmal durch das Fernrohr, aber auch jetzt mit demselben Ergebnis.
»Das ist dasselbe Schiff, das ich gestern gesehen habe«, sagte Abu Dun. »Ich habe gedacht, es wären Piraten, die nach Beute Ausschau halten, aber es war wohl genau andersherum.«
Der Kampf näherte sich offensichtlich seinem Ende. Die Kanonen des kleineren Schiffes feuerten schon seit einer ganzen Weile nicht mehr, und auch die Breitseiten der Caravelle brüllten nun in nicht mehr ganz so rasender Folge; aber das lag wohl eher daran, dass es nicht mehr nötig war, Munition in so großer Menge zu verschwenden.
Er schob das Fernrohr zusammen und steckte es ein, statt es Abu Dun zurückzugeben. Er wollte nicht, dass der Nubier noch mehr sah oder gar sagte.
Unglückseligerweise war Abu Dun aber Abu Dun, und so fuhr er in gespielt nachdenklichem Ton fort: »Wenn dieses Schiff so etwas wie unseren Geleitschutz darstellt und seine Besatzung sogar bereit ist, ihr Leben für Hasan zu opfern, dann frage ich mich, wer wohl auf diesem anderen Schiff ist. Woher genau, hast du noch einmal gesagt, kanntest du diesen Mann?«
»Ich kannte ihn gar nicht«, antwortete Andrej. Wieder sah er das Grauen in den Augen des Mannes, als hätte er in seinem allerletzten Moment etwas gesehen, das ihn hundertmal mehr erschreckte als der Gedanke an seinen Tod. Und er dachte daran, wie er sich an seinem Schrecken gelabt hatte, immer mehr davon gewollt hatte.
Mit einer Anstrengung, die seine Kräfte beinahe überstieg, schüttelte er das Bild ab. Nachdenklich fuhr Abu Dun fort: »Ach ja, das war ja ich. Also dieser Mann kommt aus Venedig, nicht wahr, und wenn ich jetzt einfach einmal voraussetze, dass dieses Schiff aus derselben Stadt kommt, und den Gedanken weiterspinne …«
»Dann fragst du dich, warum sie uns angreifen«, sagte Andrej. »Die über Venedig herrschenden Familienverbände werden die enge Beziehung von Papst Clemens zu Frankreich und Spanien, von denen Hasan gesprochen hat, wohl schon immer ein Dorn im Auge gewesen sein. Warum sollten sie den Mann aufhalten wollen, der ihn töten will?«
»Und das möglicherweise sogar in ihrem Auftrag«, verfolgte Abu Dun den Gedanken weiter. »Ich meine, bisher hat er uns immer noch nicht verraten, warum wir es tun sollen.«
Und das würde er auch weiter nicht tun. »Aber das würde bedeuten, dass sie wissen, wer wir sind. Und warum wir hier sind.«
»Das stimmt«, erwiderte Abu Dun. »Warum ist mir das nur nicht eingefallen?« Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, dass es klatschte. »Natürlich! Viel wahrscheinlicher ist es ja, dass der Kapitän eines venezianischen Kriegsschiffes ganz plötzlich entschieden hat, sich und seiner Mannschaft ein kleines Zubrot zu verdienen, indem sie als Piraten Jagd auf …« Er sah sich demonstrativ um. »… fette Beute machen.«
Abu Dun nickte so heftig, als Andrej ihn finster ansah, dass sein Turban ins Wanken geriet und er ihn hastig mit der eisernen Hand festhielt, etwas zu hastig, denn trotz des groben Sackleinens, in das er sie gewickelt hatte, ertönte ein trockener Schlag, und seine Lippen zuckten vor Schmerz.
Normalerweise hätte Andrej angenommen, er wolle die
Weitere Kostenlose Bücher