Pestmond (German Edition)
durch.«
»Du weißt verdammt genau, was ich meine! Nennst du das unauffällig?«
»Bisher hat uns niemand bemerkt, oder?«, fragte Abu Dun. Andrej musste zugeben, dass das stimmte. Abu Dun hatte die drei Männer (Soldaten, verbesserte sich Andrej in Gedanken. Es waren Soldaten, denn sie trugen Uniformen, und zumindest einer hatte noch versucht, die Muskete von der Schulter zu nehmen) schnell genug ausgeschaltet, bevor auch nur einer einen Warnschrei ausstoßen konnte. Aber wie weit würden sie mit dieser Taktik kommen?
Weniger als Andrej ohnehin befürchtet hatte, denn als wären seine Überlegungen das Stichwort gewesen, auf das ein gehässiges Schicksal nur gewartet hatte, flog am Ende des Gangs hinter Abu Dun eine Tür auf, und zwei weitere Marinesoldaten stürmten herein, die Musketen schussbereit in den Händen.
Abu Dun reagierte blitzschnell, indem er die Sturmlaterne ansatzlos aus dem Handgelenk schleuderte. Beide Soldaten warfen sich hastig zur Seite, wobei sich die Muskete des einen mit gewaltigem Getöse entlud. Die Kugel verfehlte ihn um mindestens drei Fuß und fuhr harmlos in die Decke, und auch die Lampe flog zwischen den beiden Bewaffneten hindurch und verschwand hinter der offen stehenden Tür.
Nur dass sie nicht harmlos über Bord ging, sondern mit einem hellen Klirren zerbrach, das in einem dumpfen Wusch und dem grellweißen Licht unterging, mit dem das verschüttete Öl Feuer fing und den Raum mit einem einzigen Schlag in Brand setzte. Es gab keine Explosion, wie Andrej erwartet hatte, doch die Wirkung war mindestens genauso verheerend, wenn nicht schlimmer: Eine blassgelbe Feuerzunge leckte wie der Atem eines zornigen Drachen aus der offen stehenden Tür, gefolgt von einer zischenden Druck-und Hitzewelle, die die beiden Männer nicht nur von den Füßen riss, sondern sie auch mit zahllosen Holzsplittern spickte.
Abu Dun wurde mit solcher Macht gegen Andrej geworfen, dass sie ebenfalls auf die Knie fielen. Andrej jedenfalls. Abu Dun fing sich, indem er seinen Sturz (mit seiner Eisenhand) an seiner Schulter abfing und danach auch noch die Dreistigkeit besaß, ihm die andere Hand hinzustrecken, um ihm wieder aufzuhelfen. Selbstredend ignorierte Andrej dieses Angebot und rappelte sich aus eigener Kraft auf, wenn auch wenig elegant.
»Wir sollten uns bei Gelegenheit einmal über die genaue Bedeutung des Wortes unauffällig unterhalten«, knurrte er.
Abu Dun kam auch diesmal nicht zu einer Antwort, denn nun polterten Schritte auf einer Treppe hinter ihnen, und aufgeregte Stimmen wurden laut. Der Nubier ignorierte beides, war mit einem Schritt bei den beiden Soldaten und zerrte sie von der Tür fort, aus der noch immer Flammen loderten. Die Hitze war so gewaltig, dass Andrej kaum noch atmen konnte und Kleider und Haar der beiden Männer schwelten. Der eine hatte das Bewusstsein verloren, und der andere folgte ihm ins Reich der Träume, als Abu Dun ungeschickt genug war, ihn mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen.
»Feuer!«, brüllte der Nubier.
Andrej musste sich nicht zu den Männern umdrehen, um ihre Reaktion zu kennen. Denn wenn es etwas gab, das Seeleute fürchteten wie der Teufel das Weihwasser, dann war es Feuer. Zugleich aber waren sie auch Soldaten – und er war sich ziemlich sicher, nicht die schlechtesten –, daher musste der allererste Moment des Erschreckens genügen. Mit einem einzigen Schritt war er neben Abu Dun, zog einen der Soldaten in die Höhe und legte ihm seinen Arm um den Nacken.
»Helft mir!«, rief er in genau dem venezianisch gefärbten Italienisch, dessen sich einer der beiden Männer im Laderaum bedient hatte. »Holt Wasser! Schnell! Und helft ihm!«
Mit gesenktem Kopf, sodass die Männer sein Gesicht nicht erkennen konnten, stürmte er los, schleifte den Bewusstlosen einfach mit und drückte ihn dem erstbesten Mann in die Arme. Annähernd gleichzeitig tat Abu Dun dasselbe, auch wenn der dunkle Hüne sich nicht ernsthaft einbilden konnte, unerkannt zu bleiben. In ihrer Aufregung mochten die Soldaten Andrej mit einem beliebigen Besatzungsmitglied verwechseln, aber auf einen sieben Fuß großen Nubier, der so aussah, als wöge er so viel wie das ganze Schiff, traf das ganz gewiss nicht zu. Folglich setzte er nicht darauf, mit derselben Täuschung Erfolg zu haben, sondern warf den Männern ihren bewusstlosen Kameraden einfach entgegen – mit dem Ergebnis, dass auf der Treppe ein einziges Chaos aus übereinanderstürzenden Leibern, verknoteten Gliedmaßen und
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