Pestmond (German Edition)
fügte Abu Dun noch hinzu.
Sie bekamen auch jetzt nur ein zaghaftes Nicken zur Antwort, doch mehr brauchte Andrej auch nicht. Allmählich begann alles einen Sinn zu ergeben. Mehr oder weniger.
»Zwei ausgewachsene Kriegsschiffe und eine Kompanie Soldaten, die Jagd auf ein einzelnes Piratenschiff machen?«, brachte es Abu Dun auf den Punkt. »Ist das nicht ein bisschen viel Aufwand?«
Der furchtsame Blick, mit dem der zitternde Matrose den nubischen Riesen maß, war schon Antwort genug, aber er sagte trotzdem: »Es … es sind keine normalen Piraten. Es heißt, sie wären äußerst gefährlich. Mörder und Attentäter aus Arabien.«
»Und warum?«, fragte Andrej.
»Das weiß ich nicht«, behauptete der Matrose. »Aber ich habe gehört, wie sich ein paar Soldaten unterhalten haben, und sie haben großen Respekt vor eu…, vor den Piraten. Und dass sie sie lebend fangen sollen.«
»Wer?«, fragte Andrej. »Wieso solltet ihr unsere Leichen zurück nach Venedig bringen?«
»Das weiß ich nicht, Herr«, beteuerte der Matrose. »Ich sage die Wahrheit, das müsst ihr mir glauben! Ich weiß nur, dass wir die Piraten aufbringen und möglichst viele Gefangene machen sollen, nicht mehr! Der Kapitän diskutiert seine Befehle nicht mit der Mannschaft.«
»Wie viele Soldaten sind an Bord?«, wollte Abu Dun wissen.
»Fünfzig Mann«, antwortete der Matrose, »und die Offiziere. Und noch einmal so viele auf der Lucia.«
»Hundert Mann, halb so viele Kanonen und mindestens noch einmal so viele bewaffnete Matrosen«, sagte Abu Dun. »Na, das nehme ich dann mal als Kompliment.«
»Und was habt ihr jetzt vor?«, fragte Andrej. »Euer Kapitän hat das Schiff nicht so dicht an die Klippe gesteuert, nur um seine Fähigkeiten als Seemann zu beweisen.«
Er konnte dem verängstigten Mann ansehen, wie es hinter seiner Stirn immer heftiger zu arbeiten begann. Vielleicht regte sich tatsächlich so etwas wie Widerstand in ihm, doch dann klapperte Abu Dun mit seiner eisernen Hand, und das trotzige Funkeln verschwand ebenso schnell wieder aus seinem Blick, wie es darin erschienen war.
»Corleanis wird alles regeln«, sagte er gepresst.
»Ihr macht gemeinsame Sache mit dem Schmugglerkönig?«
»Von Schmuggel weiß ich nichts«, antwortete Raspelstimme, obwohl sein Blick eher das Gegenteil bewies. Er hob bekräftigend die Schultern und fuhr fort: »Ich weiß nur, dass wir hier auf die Dämmerung warten sollen. Es soll ein Lotse an Bord kommen, der uns mit der Flut in den Hafen bringt.«
»Ja, das ergibt Sinn«, grollte Abu Dun. »Erinnere mich daran, dass ich mich noch einmal eingehend mit Don Fettbacke unterhalte, sobald wir wieder an Land sind.«
Wozu sie allerdings erst einmal dieses Schiff verlassen mussten, dachte Andrej besorgt. Er nahm an, dass sich dieses Unterfangen nicht ganz so einfach gestalten würde, wie Abu Dun zu glauben schien.
Er tauschte einen halb verstohlenen, halb bedauernden Blick mit dem Nubier. »Wir können sie nicht am Leben lassen«, sagte er auf Arabisch. Er empfand kein Bedauern bei diesen Worten, obwohl er es eigentlich doch sollte. Raspelstimme hatte es zweifellos verdient, dessen war er sich gewiss, und der andere … irgendwann hatte er sich entschieden, Matrose auf einem Kriegsschiff zu werden, wozu ein gewisses Risiko für Leib und Leben nun einmal gehörte. Das Leben eines Sterblichen war so kurz, dass ein paar Jahre mehr oder weniger ohnehin kaum einen Unterschied machten.
Abu Dun schüttelte jedoch den Kopf. »Welchen Unterschied sollte es machen, ob sie ihre Leichen finden und wir weg sind oder sie erzählen, dass wir von den Toten auferstanden sind und das Schiff verlassen haben?« Er schüttelte noch einmal bekräftigend den Kopf und wechselte wieder ins Italienische.
»Was wirst du deinem Kapitän erzählen, wenn er fragt, wo wir geblieben sind?«, wandte er sich an Raspelstimme.
»Geblieben sind?«, wiederholte der Mann verwirrt. Offenbar lähmte die Angst auch seinen Verstand, oder er hatte einfach nicht viel davon.
Abu Dun seufzte sehr tief. »Sosehr wir eure Gastfreundschaft genießen, werden wir sie doch nicht mehr allzu lange in Anspruch nehmen können«, erklärte er geduldig.
»Also wäre es äußerst zuvorkommend, wenn du uns einen Weg zeigst, um dieses Schiff zu verlassen. Möglichst unauffällig. Schließlich wollen wir doch deine Kameraden nicht unnötig erschrecken oder gar von ihrer Arbeit abhalten.«
Raspelstimme glotzte ihn nur mit offenem Mund an, und Abu Duns Lächeln
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