Pestmond (German Edition)
schätzt er nicht besonders.«
Andrej schickte ein bekräftigendes Kopfnicken hinterher und ballte die Hand zur Faust, sodass der Mann das Blut darauf erkennen konnte, nicht aber die Tatsache, dass der tiefe Schnitt schon so gut wie verschwunden war.
»Aber das … ihr könnt … unmöglich«, stammelte der Matrose. »Wie kann das sein? Ihr seid tot! Ihr … ihr müsst tot sein!«
»Das sind wir auch«, antwortete Abu Dun mit einem herzlichen Lächeln. »Genau wie du.«
»Ich? Aber wie … wie kann …?«
»Und jetzt rate einmal, wo du die erste Hälfte der Ewigkeit verbringen darfst«, fuhr Abu Dun ungerührt weiterlächelnd fort. »Und in wessen Gesellschaft.«
»Lass das, Pirat«, sagte Andrej streng. Mit einem Gesichtsausdruck, der den armen Kerl tatsächlich noch einmal blasser werden ließ, fuhr er an den Matrosen gewandt fort: »Nein, du bist nicht tot …«
»Noch nicht«, brummte Abu Dun.
»… und wir sind es auch nicht.«
»Aber ich habe gesehen, wie ihr von der Klippe gefallen seid! Sie haben auf euch geschossen!«
»Es gehört schon ein bisschen mehr dazu, uns umzubringen«, meinte Abu Dun.
»Oder wäre es dir lieber, wir wären tot?«, fragte Andrej.
»Alle drei?«, fügte der Nubier noch hinzu.
Der Matrose schluckte hart, sah Andrej und Abu Dun nacheinander sehr lange an und rang sich dann zu etwas durch, das mit sehr viel gutem Willen als Kopfschütteln gewertet werden konnte. Abu Dun sah ein bisschen enttäuscht aus.
»Dir wird nichts passieren«, versprach Andrej. »Vorausgesetzt, du beantwortest uns ein paar Fragen.«
»Und lügst nicht«, ergänzte Abu Dun. »Oder wenn doch, dann so, dass wir es nicht merken.«
»Es ist gut, Pirat«, sagte Andrej. »Ich glaube, er hat es verstanden. Das stimmt doch, oder?«
Raspelstimme antwortete immer noch nicht laut, aber er hatte es jetzt sehr eilig zu nicken, und Andrej spürte seine Angst. Sie war viel zu groß, als dass er auch nur noch geahnt hätte, was das Wort Lüge bedeutete.
»Wer seid ihr?«, fragte Andrej. »Nicht du und dein Freund.« Er machte eine Geste in die Runde. »Dieses Schiff. Das alles hier. Was habt ihr hier verloren?«
»Das … das weiß ich nicht«, stammelte Raspelstimme. »Ich bin nur ein einfacher Matrose, dem man nicht sagt, wohin es geht und warum …«
Abu Dun versetzte ihm eine Kopfnuss, die ihn so gerade eben noch nicht das Bewusstsein verlieren ließ, nur seine Nase begann zu bluten. Immerhin wartete der Nubier, bis er aufgehört hatte, wimmernd nach Luft zu japsen. »Also?«
Der Mann schüttelte mühsam den Kopf. »Ich … ich weiß nur, dass … dass die Lucia und wir nach Piraten suchen.«
»Die Lucia?«, fragte Andrej.
»Es gibt noch ein zweites Schiff?«, hakte Abu Dun nach.
Der Matrose nickte, schüttelte den Kopf und rettete sich schließlich in ein hilfloses Achselzucken. »Unser Schwesterschiff. Aber wir haben … wir haben schon seit ein paar Tagen nichts mehr von ihr gehört. Vielleicht kommt sie hierher.«
Andrej tauschte einen raschen Blick mit Abu Dun. Er hatte nicht allzu viel von diesem Schiff gesehen, aber das eine oder andere war ihm doch bekannt vorgekommen. Es war noch nicht lange her, da war ihnen ein ganz ähnliches Schiff begegnet, dessen verkohlte Überreste jetzt auf dem Grund des Mittelmeeres lagen.
»Gehört ihr …« Der Matrose fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, machte es aber eher schlimmer, weil er damit das Blut nur verschmierte, das ihm aus Mund und Nase gelaufen war. »Seid ihr von diesem Schiff?«
»Sehen wir etwa aus wie Piraten?«, fragte Abu Dun auf eine Art, die den Matrosen dazu brachte, sehr schnell und überaus heftig den Kopf zu schütteln. Obwohl Andrej ihm ansah, wie gerne er etwas anderes gesagt hätte.
»Ihr jagt also Piraten«, stellte er fest, bevor Abu Dun den Mann auf seine ganz eigene Art an das Versprechen erinnern konnte, das er ihm vor kaum einer Minute gegeben hatte. »Warum?«
»Warum?«, wiederholte der Mann verständnislos.
»Warum«, bestätigte Andrej. »Woher kommt ihr?«
»Aus Venedig«, antwortete der Matrose. Andrej spürte nicht nur, dass es die Wahrheit war, er erinnerte sich auch, dass das andere Schiff ebenfalls die Farben Venedigs getragen hatte.
»Aber ihr seid keine Händler oder Söldner«, stellte Abu Dun fest. »Das hier ist ein Kriegsschiff.«
»Ja. Aber ich bin kein Soldat und mein Freund auch nicht! Wir …«
»Aber ihr habt Soldaten an Bord«, fiel ihm Andrej ins Wort.
»Und eine Menge Kanonen«,
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