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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nebensächlichkeit aufzuklären?«, fragte er.
    Alis Gesicht verfinsterte sich noch weiter, und sein Zeigefinger strich ein paarmal fast sanft über den Abzug der Muskete. Andrej fragte sich, ob er schnell genug sein würde, der Kugel auszuweichen, falls Ali sich entschloss, erst zu schießen und sich dann bei seinem Herrn den Segen dafür abzuholen, und befand dann, dass er es nicht schaffen würde.
    »Das hätte nicht passieren dürfen«, antwortete Hasan. Er hielt Andrejs Blick stand, aber nur mit Mühe. »Glaub mir, Andrej, niemand bedauert es mehr als ich. Aber der Schaden ist nun einmal angerichtet, und es kann nur noch schlimmer werden, wenn wir noch mehr Zeit verlieren.«
    »Schaden«, wiederholte Andrej. Eine interessante Formulierung, dachte er, angesichts des Umstandes, dass nur einen Steinwurf entfernt in diesem Moment vielleicht eine ganze Stadt starb. »Von wie vielen Menschenleben reden wir noch einmal?«
    »Von zu vielen«, antwortete Hasan. »Nimm endlich die Waffe runter, Ali! Hol das Boot! Wir müssen los.«
    Ali senkte seine Muskete gerade weit genug, dass die Waffe jetzt wie zufällig genau auf Andrejs Herz zielte, ruckte aber einmal kurz mit dem Kinn, woraufhin zwei seiner Männer ins Wasser wateten, um das Boot den Strand hinaufzuziehen. Einer davon war der, der eben noch im Boot gesessen hatte; wahrscheinlich war er ins Wasser gesprungen, um Andrej beizustehen.
    Andrej war froh, dass der Mann am Leben war – und unverletzt wirkte. Es hatte bereits genug Tote gegeben.
    Das änderte nichts daran, dass sie jetzt ein Problem hatten. In dem Boot war vielleicht gerade einmal Platz für fünf oder auch sechs Personen, möglicherweise sogar acht, wenn sie zusammenrückten. Sie waren jedoch mehr als doppelt so viele.
    Andrejs Blick suchte den roten Funken auf dem Meer, fand ihn aber nicht mehr. Jemand hatte das Licht auf der Pestmond gelöscht. Das beunruhigte ihn.
    »Wir werden mehrmals fahren müssen«, sagte Hasan, dem sein Blick nicht entgangen war. »Du wirst im ersten Boot fahren, zusammen mit Ali und Ayla. Es gibt ein zweites Beiboot auf der Pestmond , das ihr mit zurückbringen könnt.«
    Andrej schüttelte den Kopf.
    Ihm war wieder eingefallen, was die ganze Zeit über an ihm genagt hatte – ein deutliches Anzeichen dafür, dass sein Gehirn nicht mehr mit der gewohnten Präzision arbeitete. Er machte eine Geste zum Tunnel hinauf und suchte Hasans Blick. »Wie viele Männer hatte Vercelli bei sich?«
    »Einen«, antwortete Hasan. »Warum?«
    Andrej wies auf den kopflosen Torso, der nur zwei Schritte neben ihm im Sand lag. »Und woher kommt dann dieser Mann?«
    Verblüfftes Schweigen machte sich breit, in das hinein nach einigen Sekunden Ali mit wenig Überzeugung sagte: »Vielleicht ist er ja aus der Stadt.«
    »Und warum trägt er dann Seemannskleidung?«, fragte Abu Dun.
    Niemand antwortete.
    »Du meinst, sie sind schon … schon auf dem Schiff?«, flüsterte Ayla schließlich. »Aber das ist doch gar nicht …«
    Hasan brachte sie mit einem eisigen Blick zum Verstummen. Ali schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Dann müssen wir zuerst nachsehen.«
    »Wir brauchen eine Stunde, hin und zurück«, sagte Abu Dun fast verächtlich, »selbst wenn auf dem Schiff alles in Ordnung ist. Wollt Ihr so lange hier warten?«
    »Und was schlägst du stattdessen vor, schwarzer Mann?«, fragte Ali abfällig. »Sollen wir vielleicht hinausschwimmen?«
    Abu Dun straffte die Schultern, um aus noch einem Zoll mehr Höhe auf den Assassinen hinabblicken zu können. »Das vielleicht nicht ganz, kleiner Mann«, antwortete er lächelnd. »Aber durchaus etwas in dieser Art, ja.«

Kapitel 15
    W ären die Männer keine Assassinen gewesen, die sich ihr Lebtag lang gestählt und auf einen Moment wie diesen vorbereitet hatten, hätte wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte von ihnen das Schiff erreicht. Auch so waren sie mehr tot als lebendig, als der gedrungene Rumpf der Pestmond endlich vor ihnen auftauchte.
    Andrej hoffte wenigstens, dass es das Schiff war. Ebenso gut hätte es ein totes Meeresungeheuer sein können, das aus den Tiefen des Ozeans heraufgespült worden war, oder auch eine Wolke, der es am Himmel zu langweilig geworden war. Die Nacht war so dunkel, dass man nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte, und bitterkalt. Vom Wasser stieg ein eisiger Hauch empor, der sich wie Glas auf die Haut legte und in der Kehle brannte. Obwohl er einer der Glücklichen war, die einen Platz im Boot ergattert hatten

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